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Truhe mit Einlegearbeiten nach Renaissancevorlagen (um 1560/1570)

Truhen gehören zu den ältesten Möbelstücken und dienten hauptsächlich zur Aufbewahrung von Kleidung oder Nahrungsmitteln. Auch im Wohnbereich der gehobenen Gesellschaft spielte die Truhe eine Rolle, was die vielen erhaltenen Stücke aus Tiroler Adelsbesitz dokumentieren. Besonders schöne Exemplare wurden in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts gefertigt und zum Teil mit besonders feinen Intarsien und Schnitzereien dekoriert.

Infolge eines Brandes in der Innsbrucker Hofburg 1534 kamen viele auswärtige Kunsttischler ins Land, die auf Aufträge für die neue Ausstattung der „Paradeisstube“ und weiterer Säle (1559-1562, nicht erhalten) hofften. Aus dieser Ära der Tiroler Tischlerkunst gehen auch der Chor und der Fürstenchor der Innsbrucker Hofkirche (1566/1567), die Kassettendecken und Türen im Spanischen Saal von Schloss Ambras (1572) sowie Täfelungen und Mobiliar für viele kleinere Nord- und Südtiroler Schlösser und Ansitze hervor. Wenngleich aus dem Allgäu und Oberbayern zugezogene Kunsttischler den Hauptanteil der in Tirol erhaltenen Objekte anfertigten, bildeten die Kassettendecken der italienischen Hochrenaissance die Vorbilder für ihre Arbeiten.

Als Intarsien zu den Hauptmerkmalen der gehobenen Tischlereikunst der Hochrenaissance gehörten, entstanden in Oberbayern (z.B. in Bad Tölz) und im Allgäu wichtige Zentren dieser Dekorationstechnik. Das steht mit den für die Umsetzung von Einlegearbeiten notwendigen Edelhölzern und Ornamentstichvorlagen in Zusammenhang, die von den süddeutschen Zentren ausgehend gehandelt und vertrieben wurden. Auch die nach Tirol ausgewanderten Kunsttischler bezogen ihre Hölzer und Späne für die Herstellung feiner Marketerien aus ihrer früheren Heimat.

Für die Realisierung des Chores und des Fürstenchores in der Innsbrucker Hofkirche kam der Ravensburger Hans Waldner (seit 1562 in Innsbruck ansässig) nach Tirol, und es dürfte wohl auf seinen handwerklichen und künstlerischen Einfluss zurückzuführen sein, dass gerade aus dem letzten Viertel des 16. Jahrhunderts besonders qualitätvolle Einlegearbeiten erhalten sind. Das führt vor allem eine Truhe aus Tiroler Adelsbesitz vor Augen, deren Vorderfront mit feinen floralen (blütenförmigen) Einlegearbeiten verziert ist:

Die 175 cm breite, 67 cm hohe und 70 cm tiefe Truhe weist eine durch Schnitzereien in fünf Abschnitte unterteilte Vorderfront auf. Die beiden Felder an den Außenseiten sind durch sich nach unten verjüngende, pilasterähnliche „Architekturmotive“ getrennt. An sie schließen bogenförmig eingerahmte Bildflächen an, deren Bögen aus Rustikaquadern zusammengesetzt sind. Das Mittelfeld ist hochrechteckig und wird oben von einem Dreieckgiebel abgeschlossen. Hier wurde auch der mit feinen Ziselierungen versehene Metallbeschlag über dem Schlüsselloch zum Versperren der Truhe angebracht. Im Inneren der Truhe befindet sich links ein kleines Fach, dessen Abdeckung zum Befestigen des Truhendeckels hochgeklappt werden kann. Auch die Innenseite des Deckels weist schöne schmiedeeiserne Beschläge auf.

Die Einlegearbeiten bestehen aus groteskenartigen Blumenvasen, dekorativen floralen Mustern und Rollwerk und repräsentieren damit eine Formenvielfalt, die für Renaissance-Intarsien typisch war. Die Bezeichnung Intarsie (Einlegearbeit, Marketerie) leitet sich vom italienischen Begriff „intarsia“ für „einlegen“ ab. Dabei handelt es sich um eine relativ alte Dekorationstechnik, bei der auf einer ebenen Oberfläche verschiedene bzw. verschiedenfarbige Hölzer so zusammengefügt werden, dass ein ornamentales oder figuratives Gesamtbild entsteht. Man kann die Technik am ehesten mit einem Puzzle-Spiel vergleichen, für das nicht Karton, sondern Holz verwendet wird und das über einer gezeichneten Vorlage Umsetzung findet. Als Vorlagen dienten häufig Muster bzw. gebundene Musterbücher, die – von bekannten Künstlern zusammengestellt und in Form von Kupferstichen vervielfältigt – eine weite geografische Verbreitung fanden.

Mit Intarsien verzierte Holzgegenstände wurden schon im Altertum hergestellt. So ist z.B. aus Ägypten ein mit Marketerie verzierter Zedernholzsarg bekannt, der ca. 2000 v.Chr. angefertigt wurde. Einen weiteren künstlerischen Höhepunkt erlebte die Dekorationstechnik im islamischen Kulturraum, erst später fand sie zur Zeit der Renaissance auch Eingang in die abendländische Kunst. Es existieren Überlieferungen aus Florenz, die berichten, dass sich manche private Auftraggeber so prächtige, mit Einlegearbeiten geschmückte Betten, Tische und Cassoni (Truhen) herstellen ließen, dass ihr Preis nicht selten den Wert eines Wohnhauses überstieg. Um die starke Nachfrage befriedigen zu können, bildeten sich große Werkstätten aus. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts soll es allein in Florenz 80 Werkstätten („legniauoli di tarssie“) gegeben haben, darunter die bekannte der Brüder Giuliano und Benedetto da Maiano.

Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht weiter, dass mit Marketerien verzierte Bauteile und Möbelstücke auch im Alpenraum auf großen Widerhall stießen.