Bezirk: Lienz Bezirk: Innsbruck-Land Bezirk: Schwaz Bezirk: Imst Bezirk: Landeck Bezirk: Reutte Bezirk: Kitzbühel Bezirk: Kufstein Bezirk: Innsbruck

Salongarnitur – elegante Möbel aus dem Tiroler Biedermeier (um 1850)

Zu den bedeutendsten Leistungen der Tiroler Tischlerkunst des 19. Jahrhunderts zählen die Arbeiten des Innsbruckers Johann Josef (später: Johann Nepomuk) Geyer (1807-1874). Der Kunsttischler leitete eine kleine Firma, die aus der Tischlerei seiner Mutter hervorgegangen war und in der er zeitweise bis zu 15 Mitarbeiter beschäftigte. Bald hatte er sich durch die Herstellung besonders schöner Möbelstücke einen so guten Ruf erworben, dass er 1838 zu einem der größten Aufträge des Landes gelangte: der Neueinrichtung der Innsbrucker Hofburg.

Geyer war bis etwa 1860 tätig. In Tiroler Wohnungen haben sich nicht wenige Salongarnituren und Einzelmöbel aus seiner Werkstatt erhalten. Die meisten von ihnen haben ein graziles Erscheinungsbild, wurden aus wertvollen Hölzern gearbeitet und häufig mit feinen Fadenintarsien ausgestattet. Für die Ausführung dieser für Geyers Möbel typischen, fein marketierten (= eingelegten) Adern aus Ahornholz verwendete er eine spezielle Sägemaschine.

Das Biedermeier (ca. 1815-1848) war der erste bürgerliche Einrichtungsstil, der sich durchsetzen konnte. Wegbereiter dafür waren englische Möbel, die sachlich-schlicht und bequem waren, aber für den „österreichischen Geschmack“ adaptiert werden mussten: Die strengen Formen wurden gemildert, abgerundete und gebogene Details fanden Eingang in die Gestaltung. Die Ausstattung eines charakteristischen Biedermeier-Zimmers bestand aus einer gepolsterten Sitzgruppe mit einem Tisch. Überdies umfasste sie Stühle, Kommoden, Schränke, meistens einen Schreibsekretär, Tapeten mit Blumenmustern, helle Teppiche etc. All das vermittelte eine überschaubare, beruhigende Atmosphäre, und so kam das Biedermeier in seinem Einrichtungsstil den Bedürfnissen der Menschen sehr entgegen. In Hinsicht auf ihr „Design“ wurden die Einrichtungsgegenstände leichter und funktioneller, wodurch sie Ansätze der modernen Möbelgestaltung vorwegnahmen. Ausgewogene Proportionen und klare Formen kamen ebenso auf wie die Verwendung bzw. Fertigung von Garnituren und sogar kompletter Zimmereinrichtungen – ein Trend, der sich bis heute gehalten hat.

In den Epochen vor dem Biedermeier wurde dem Platz am Stubenofen der größte Wert beigemessen. Nun trat das Sofa an diese Stelle und entwickelte sich zur zentralen Sitzgelegenheit für Gäste. Anhand dieser neu aufkommenden Kultur der Gastlichkeit lässt sich aufzeigen, dass die Einrichtung eines Salons oder Wohnzimmers mit einer Garnitur nicht mehr an Repräsentationszwecke gebunden war, sondern sich an einem freundschaftlich-familiären Umgang miteinander ausrichtete.

Eine typische, um 1850 entstandene Geyer-Salongarnitur besteht aus einem Tisch mit Schublade, Sofa, Bergèren (Fauteuils mit gepolsterten Rückenlehnen und Armstützen) mit Fußschemeln und Stühlen – alle mit leicht nach außen geschweiften Beinen. Für heutige Begriffe würde man den Tisch mit seinen abgefasten (abgeschrägten) Kanten und seinen zurückversetzten Zargen als kleinen Esstisch bezeichnen. Höhe und Ausmaß der Tischfläche orientierten sich damals aber an der Sitzhöhe von Stühlen und Sofas einerseits und den Lebensgewohnheiten andererseits. An solche Tische lud man Freunde zu Kaffee und Kuchen oder verbrachte mit Handarbeiten, Spielen oder Gesprächen den Abend. Daher erstaunt es auch nicht, dass in Verbindung mit solchen Garnituren meistens auch eine ganze Reihe von Kleinmöbeln hergestellt wurde: Nähkästchen, Etageren (Bücher- oder Geschirrablagen), Ofenschirme, Blumentischchen u.v.a. Da der Tisch nicht immer mit einem Tischtuch abgedeckt war, wurde er mit feinen Linearintarsien (Ranken, spiralförmige Voluten) dekoriert. Mit ähnlich zierlichen Mustern wurden auch die Innenflächen der Stuhllehnen verziert.

Das Besondere an Geyers Möbeln bestand darin, dass er mit seinem „gutbürgerlichen“ Einrichtungsstil sogar Eingang in die Salons allerhöchster aristokratischer Kreise fand. Doch auch er blickte über die Grenzen und ließ sich von der englischen Möbelkultur beeinflussen. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts weisen z.B. seine vormals streng geformten Stühle Schwünge und an Blumenmuster erinnernde Schnitzereien auf. Für viele seiner Garnituren verwendete Geyer Eschenholz, denn im österreichischen Biedermeier waren helle Holzarten (Kirsche, Ahorn, Esche und Birke) beliebter als dunkle (Mahagoni). Die Mehrheit der originalen textilen Biedermeierbezüge weisen Streifenmuster auf und sollten auch im Fall von Restaurierungen mit solchen Stoffen wieder bezogen werden. Die Bezüge der hier vorgestellten Garnitur wurden in den 1950er-Jahren originalgetreu erneuert.