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Zunftkirche in Bichlbach – einzige erhaltene Zunftkirche Österreichs  (1708 – 1712)

Das Außerfern besitzt in der Zunftkirche Bichlbach als ehemaligem regionalem Hauptsitz (= Hauptlade) der Zunft der Maurer, Steinmetze und Zimmerleute ein kulturhistorisch und künstlerisch bedeutsames Bauwerk.

Vom späten 17. Jahrhundert bis 1849 bestand die Bichlbacher Bruderschaft: 1694 genehmigte Kaiser Leopold I. (1640-1705) die Gründung einer Zunft für Bauhandwerker des Gerichts Ehrenberg mit Sitz in Bichlbach. Da die Zugehörigkeit zu einer Bruderschaft Vorteile bot, schlossen sich bald alle Handwerkszweige dieser Hauptlade an. 1708 bis 1712 erfolgte mit Unterstützung durch die Zunft der Bau der Zunftkirche hl. Josef.

Obwohl die Kirche über ein schlichtes äußeres Erscheinungsbild verfügt, entspricht ihre aus der Errichtungszeit 1708 bis 1712 stammende Innenausstattung und -einrichtung ganz dem Gesamtkunstwerksgedanken des Barock. Die architektonische Gestaltung der Kirche dürfte auf den Füssener Baumeister Jakob Herkom(m)er (1652-1717) zurückgehen, der Freskenschmuck und die Hochaltarbilder stammen vom Allgäuer Maler Johann Heel (1685-1748).

In der einzigen erhaltenen Zunftkirche Österreichs wurde bis zur Auflösung der Außerferner Bruderschaft im Jahr 1848 die Zunftlade aufbewahrt. Hier trafen sich die Handwerker vor allem im Frühjahr, bevor sie zur Saisonarbeit in andere Länder aufbrachen.

Bis ins späte 17. Jahrhundert unterstanden alle Bauhandwerker Tirols der Innsbrucker Zunft. Die Außerferner strebten aber die Gründung einer eigenen Bruderschaft an, da viele von ihnen – aufgrund der geringen Verdienstmöglichkeiten in ihrer Heimat – auf Wanderschaft gehen mussten. Das hatte zur Folge, dass sie keine zwingende Notwendigkeit mehr darin sahen, von einer Innsbrucker Zunft vertreten zu werden. Weil aber das Außerfern bis 1816 zum Bistum Augsburg gehörte, hatte neben Kaiser Leopold I. auch der Augsburger Bischof 1694 seine Zustimmung zur Gründung einer neuen Jesus-Maria-und-Josef-Bruderschaft (die sich der Verehrung der heiligen Familie verschrieb) mit Sitz in Bichlbach zu erteilen. Sie war die Zunfthauptlade aller Außerferner Bauhandwerker, Maurer, Zimmerleute und Steinmetze, später auch anderer Gewerbe.

Vielleicht erstaunt es aus heutiger Sicht, dass der kleine Ort Bichlbach jemals ein Zunftzentrum gewesen sein konnte – ein Zahlenbeispiel veranschaulicht aber seine Bedeutung: 1738 waren 1.042 Maurer- und Zimmermeister sowie 142 Meister anderer Gewerbezweige in die Bruderschaft eingeschrieben – zugleich ein Indiz dafür, dass diese Zunft auch eine gewisse finanzielle Potenz besaß.

Der Bau der westlich des Dorfkerns von Bichlbach auf dem Ausläufer des Lammberges errichteten Zunftkirche erfolgte 1708 bis 1712. Ihre architektonische Besonderheit liegt darin, dass sie von Architekt Jakob Herkom(m)er zwar in axialer Ausrichtung (= mit Blickrichtung) zum Chorraum mit dem Hauptaltar konzipiert wurde, aber aufgrund der über Eck gestellten Pilaster wie ein Zentralbau wirkt. Für die Ausschmückung des Gewölbes mit Wandmalereien verpflichtete man den Reuttener Maler Paul Zeiller, der sich in den Jahren 1710 bis 1720 am Höhepunkt seines Schaffens befand. Im Chorraum schuf er Fresken, die sich am Thema der Bruderschaft (Jesus, Maria und Josef) orientieren: „Maria und Josef vor der Dreifaltigkeit“ in der Kuppel und Szenen aus der „Josefslegende“ in den Kuppelzwickeln, wobei große Aufmerksamkeit auf die Darstellung von Josef als Zimmermann bzw. von Attributen des Zimmerhandwerks gelegt wurde. Im Zentrum der Gewölbemalereien des Betraumes steht die „Himmelfahrt Christi“ und in den Zwickelfeldern die Erscheinungen Christi nach der Auferstehung.

Neben den Wandmalereien ist der plastische Schmuck der Zunftkirche besonders bemerkenswert. Am Chorbogen ist ein expressiv (= künstlerisch ausdrucksstark) gestaltetes Kruzifix angebracht. Aufgrund der dramatischen Wiedergabe der Wunden wird dieser Gekreuzigte auch als „Wundheiland“ oder „Tropfheiland“ bezeichnet.

Der Altar entstand 1710 und weist eine strenge Ordnung aus glatten und gedrehten Säulen auf. Im Altarzentrum zeigen zwei Gemälde des aus Pfronten gebürtigen und im Augsburger Raum tätigen Johann Heel die „Anbetung der Hirten“ bzw. die „Vermählung Mariens“. Die beiden flankierenden Figuren, Maria und Josef darstellend, zählen zu den besten ihrer Art im Außerfern. Der plastische Schmuck des Altares setzt sich ferner aus einem expressiv bewegten Erzengel Michael am Altarauszug und einer Figurengruppe vom „Heiligen Wandel“ (das Jesuskind wird von seinen Eltern Maria und Josef an der Hand geführt) über dem Tabernakel zusammen (der Tabernakel selbst stammt aus dem 19. Jahrhundert).

Der Name des Künstlers, auf den die prägnanten, in den Jahren 1710 bis 1712 entstandenen Skulpturen mit ihrer auffallend konturenreichen Gewandsprache zurückgehen, ist nicht überliefert.

Tipp:
Im an die Zunftkirche angeschlossenen Zunftmuseum wird die Geschichte des Zunftwesens im Außerfern dokumentiert.