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Korbiniansaltar in Assling – Rekonstruktion eines spätgotischen Flügelaltars (um 1480)

Die kleine Wallfahrtskirche St. Korbinian in Unterassling ist für ihre bemerkenswerte Geschlossenheit von gotischer Architektur und reicher Innenausstattung bekannt. Das Kunstjuwel wurde 1468 geweiht und in den Folgejahren mit Wandmalereien geschmückt, wobei Wappen- und Heiligendarstellungen auf den Schlusssteinen von Friedrich Pacher (geboren wahrscheinlich zwischen 1430 und 1440 in Neustift bei Brixen, gestorben nach 1508 in Bruneck) stammen. Zur ursprünglichen Einrichtung der kleinen Kirche gehörten auch drei Flügelaltäre, von denen ein Magdalenenaltar und ein Korbiniansaltar ebenfalls Friedrich Pacher und seiner Werkstatt zugeschrieben werden.

In früheren Zeiten war der Korbiniansaltar als Hochaltar aufgestellt, doch im Verlauf der Geschichte gelangten seine Seitenflügel in den internationalen Kunsthandel und seine Predella fiel einem Diebstahl anheim. Während die Predella schon bald ihren Weg zurück nach Osttirol fand, gelangten die Seitenflügel während und nach dem Zweiten Weltkrieg von den Niederlanden nach Deutschland und wiederum in die Niederlande zurück. Jüngst führten glückliche Umstände zu einem Rückkauf der Altarflügel durch die Landesgedächtnisstiftung Tirol. Nach ihrer Restaurierung in den Werkstätten des Bundesdenkmalamtes in Wien sollen sie wieder in ihrer ursprünglichen Zusammensetzung in St. Korbinian aufgestellt werden.

Die Geschichte des Korbiniansaltars der Wallfahrtskirche Unterassling liest sich weniger als Kunst-Geschichte, mehr als Kriminal-Geschichte. So waren ältere Fotografien und Beschreibungen bekannt, die Aufschluss über die originalen Teile des Altares geben. Auf der Basis dieser Informationen stand fest, dass der Altar bereits vor dem Ersten Weltkrieg nicht mehr vollständig war. Ohne genauere Gründe dafür zu kennen, wurde er vor 1900 zerlegt, seine (1927 gestohlene) Predella separat ausgestellt und die verbleibenden Teile mit dem Magdalenenaltar zu einem zweigeschossigen Retabel zusammengefügt. Das Ergebnis war ein wörtlich „neu-gotisches“ Werk.

Die Predella des Altares befand sich nach dem Raub und ihrer anschließenden Wiederentdeckung und Restaurierung in der Stadtpfarrkirche St. Andrä in Lienz. Erst im Jahr 1955 erfolgte ihre Rückführung nach Unterassling. Aktuell besteht der Korbiniansaltar aus der Predella mit Szenen aus dem Leben des hl. Korbinian und dem Mittelschrein. Im Zentrum des Schreins befindet sich heute wahrscheinlich als Ersatz für eine Madonnenstatue eine St.-Korbinian-Plastik. Diese wurde vermutlich 1480 in der Werkstatt des Brixner Altarbauers Hans Klocker geschaffen. Die Figur wird von zwei Tafelbildern flankiert, auf denen die Heiligen Petrus und Paulus abgebildet sind.

Die Seitenflügel wurden wahrscheinlich im 19. Jahrhundert aus der Kirche entfernt, die genauen Umstände und das Jahr bleiben aber unbekannt. Erst viel später sind die Tafeln in der Sammlung des niederländischen Kunsthändlers Jacques Goudstikker nachweisbar, und zwar als diese 1940 von den Nationalsozialisten unrechtmäßig aufgelöst wurde. In der Folge befanden sich die Altarflügel in der Sammlung Hermann Görings. Bei ihrer Evakuierung wurden sie 1945 nach Berchtesgaden und nach Kriegsende zum „Central Collecting Point“ der Alliierten nach München überstellt. Von dort sind die Tafeln – quasi ordnungsgemäß – an ihren niederländischen „Herkunftsort“ zurückgegeben worden, wo sie bis zur Restituierung an die Familie Goudstikker in öffentlichen Museen präsentiert wurden. Schließlich war es der Wiederentdeckung durch den Münchner Kunsthistoriker Ulrich Söding und seinem Hinweis, dass die Tafeln bei Christie’s in London zum Verkauf stehen, zu verdanken, dass die Landesgedächtnisstiftung Tirol die Altarflügel im Juli 2007 zurückkaufen konnte. Im September 2010 sind sie in der Wallfahrtskirche St. Korbinian mit den dort verbliebenen Teilen des Retabels wieder zu einer Einheit zusammengeführt worden.

Die Seitenflügel wurden „gespalten“, weshalb sie heute aus vier einzelnen Bildtafeln bestehen. Auf ihnen sind innen die Heiligen Florian und Maria Magdalena sowie außen die Heiligen Andreas und Korbinian dargestellt. Die Abbildungen unterscheiden sich hauptsächlich durch einen unterschiedlichen Bildhintergrund: Während die Flügelinnenseiten nach oben durch Maßwerkbaldachine abgeschlossen werden, verfügen die Außenseiten über Muschelkalotten. Auch wurden die Heiligenfiguren auf unterschiedlichen, über Eck gestellten Podesten wiedergegeben.

Da keine schriftlichen Quellen über den Meister und die Entstehungszeit des Altares existieren, ist man auf so genannte stilkritische Untersuchungen angewiesen. Dabei handelt es sich um die Feststellung feiner Unterschiede bezüglich der Mal- und Darstellungsweise sowie um Vergleiche mit ebenfalls von Friedrich Pacher stammenden oder in seinem Umkreis entstandenen Altären. Um genauere Erkenntnisse über den Korbiniansaltar zu gewinnen, wurden seine in Osttirol verbliebenen Teile abgebaut und vorläufig auch nach Wien überstellt.

In der Kunstgeschichte ist das Werk Friedrich Pachers als qualitativ inhomogen bekannt. Fasst man alle bisherigen Untersuchungsergebnisse zusammen, so dürften die Innenseiten des Altares weitgehend Arbeiten von ihm selbst darstellen. Ihre zurückhaltende und etwas konventionelle Malweise legt ein frühes Entstehungsdatum um 1480 nahe. Bei den restlichen Tafeln ist aufgrund von Qualitätsschwankungen von einer starken Beteiligung der Pacher-Werkstatt auszugehen.