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Spätgotische Tafelbilder aus Innsbruck – erste wirklichkeitsgetreue Landschaftsdarstellung in der Tiroler Kunst (1485/1490)

In Innsbrucker Kirchen und Museen ist durch den übermächtigen Einfluss des Barock die gotische Altarkunst nur in spärlichen Resten erhalten. Dabei könnten gerade in Innsbruck einige Maler dieser gotischen Altäre ab 1470 gut nachverfolgt werden, weil mit der Lukasbruderschaft eine Art Innung gegründet worden war, die das Leben und Wirken der Künstler fassbar machte.

Einer der Künstler, die anhand einiger verstreut aufbewahrter Werke dokumentiert werden können, ist der Hofmaler Ludwig Konraiter. In der Zeit zwischen 1485 und 1490 gestaltete er für das Prämonstratenser-Chorherrenstift Wilten einen Ursula- oder Marienaltar, bei dem es sich um ein rares und besonders bedeutendes Beispiel spätgotischer Tafelmalerei handelt: Auf einem der Bildfelder ist das Stift Wilten so abgebildet worden, wie sich das Kloster in der Ära der Spätgotik präsentierte. Denn erst in den Jahren 1670-1696 wurde dem Stift sein heutiges, einheitlich barockes Erscheinungsbild verliehen.

Die meisten der in Tirol tätigen Maler der Spätgotik stammten aus dem süddeutschen Raum, doch neben der Beeinflussung durch die schwäbische Tafelmalerei kamen sie hier in Tirol auch mit einer Strömung in Berührung, die Erich Egg in seinem Standardwerk „Gotik in Tirol“ als „Inntaler Realismus“ bezeichnete. Der bekannte Kunsthistoriker wollte damit zum Ausdruck bringen, dass die aus Schwaben und dem Allgäu hierher gezogenen Maler in gewisser Weise auch lokal gefragte Abbildungsweisen in ihr Schaffen aufnahmen. Besagter Realismus führte am Beispiel des Wiltener Ursula- oder Marienaltares dazu, dass das Stift und seine Umgebung relativ genau abgebildet wurden.

Wahrscheinlich war Ludwig Konraiter um 1470 aus Kaufbeuren nach Tirol gezogen, wo er zuerst in Seefeld mit der Ausmalung des Karners und der Gnadenkapelle der Pfarrkirche beschäftigt war. 1481 wurde er vom Tiroler Landesfürsten Erzherzog Sigmund dem „Münzreichen“ (1427-1496) zum Hofmaler bestellt und avancierte auch als Innsbrucker Bürger zu hohem Ansehen. 1495 wurde er sogar Mitglied des Stadtrates. Zu den Hauptwerken des Malers zählen neben verschiedenen Altären auch zwei Porträts Erzherzog Sigmunds sowie zwei Votivtafeln, die zu den ältesten zählen, die sich in Tirol erhalten haben.

Wie die meisten der Altäre, so ist auch der Ursula- oder Marienaltar des Prämonstratenser Chorherrenstiftes Wilten nur noch in Teilen vorhanden. Die Innen- und Außenseiten der Flügel wurden (wahrscheinlich im 19. Jahrhundert) zu Ausstellungszwecken penibel auseinandergesägt. Ursprünglich befanden sich auf den Außen- oder Wochentagsseiten des Altares Szenen aus dem Leben der hl. Ursula (Ankunft der hl. Ursula in Rom, Marter der Heiligen) sowie zwei in religiöser bzw. ikonografischer Hinsicht bedeutende Darstellungen (Maria mit Kind und 10 weibliche Heilige, Anna selbdritt und 10 weibliche Heilige). Auf den Innenseiten sind wichtige Stationen aus dem Marienleben abgebildet (Verkündigung Mariens, Geburt Christi, Darstellung im Tempel, Tod Mariens), wobei im Hintergrund der einzelnen Bildfelder noch weitere Szenen wiedergegeben wurden. Sie stehen ebenfalls im Kontext zum Thema des Marienlebens (der Bethlehemitische Kindermord, die Flucht nach Ägypten).

Um einen Bezug zum späteren Standort des Altares herzustellen, hielt Ludwig Konraiter auch den damaligen Abt Alexius Stoll (1470-1492) und die Gebäude des Stiftes Wilten fest. Zu sehen sind: die nach einem Brand 1432 wiederhergestellte Stiftskirche, aber auch die Wiltener Basilika (die übrigens im 15. Jahrhundert mit einem gotischen Gewölbe ausgestattet wurde) und das „Leithaus“, das damals als Gästehaus für weltliche Besucher des Klosters zur Verfügung stand. Der Stiftsbezirk war wie eine kleine Stadt von einer hohen Mauer umgeben. Am oberen Bildrand ist Schloss Ambras zu erkennen. Insgesamt legt die exakte Darstellung des Stiftes und seiner Umgebung die Vermutung nahe, dass es sich hierbei um die erste topografisch genaue Darstellung einer Tiroler Landschaft handelt.

Gemäß seiner Herkunft sind in Konraiters Malerei starke schwäbische Einflüsse zu bemerken. Diese finden vor allem in der „unendlichen“ Weite und – wie es Erich Egg ausdrückt – Friedlichkeit des Bildhintergrundes ihren Ausdruck. Weitere wichtige Impulse bezog der Maler aber auch von Stichen des in Colmar tätigen Martin Schongauer. Auf eindrückliche Weise geht aus den Tafeln des Wiltener Altares aber auch Konraiters Vorliebe für jede Art von Kleidung oder Kostüm hervor. Mit viel Muße gestaltete er die Gewänder Marias und der vielen Heiligen oder bildete mit besonderer Hingabe die Harnische der Ritter und die bunten Kleider der Soldaten ab. Konraiter setzt die Falten der Gewänder mehr dekorativ ins Bild als zu den Bewegungen der Figuren passend. Die ausgiebige Verwendung von Weiß, Grün und Rot gehören zu den Kennzeichen seiner Malerei und er verwendet sie gerne in hellen, leuchtenden Tönen. Erich Egg urteilt zusammenfassend über den Künstler: „Ludwig Konraiter war der bedeutendste und eigenartigste Maler Innsbrucks in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts.“