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Spätgotische Tischkultur – Abendmahlszenen auf Wandmalereien in Osttiroler Kirchen (ab 1484)

Darstellungen des Letzen Abendmahls nehmen in der christlichen Kunstgeschichte deshalb eine so bedeutende Rolle ein, weil die alljährlich im Zentrum der Gründonnerstagsliturgie stehende Bibelszene von der Einsetzung des Sakraments der Eucharistie handelt.

In den Osttiroler Wallfahrtskirchen zu „Unserer Lieben Frau Maria Schnee“ in Obermauern (Gemeinde Virgen) und zum „hl. Korbinian“ in Assling können Freskenzyklen mit der Passion Christi besichtigt werden. In beiden Kirchen wurde der Ablauf des Leidenswegs Jesu in mehreren Bildfeldern festgehalten, von denen jeweils eines dem Letzten Abendmahl gewidmet ist.

Obwohl zwischen den beiden Darstellungen rund hundert Jahre liegen, hat sich in Bezug auf die Wiedergabe der damaligen Tischsitten wenig geändert. Die Maler der Fresken gestalteten reichlich gedeckte Tafeln mit Tischdecken, auf denen gebratene Paschalämmer, Brotlaibe und Weinbecher zu erkennen sind. Im Vergleich zu heute servierte man zur Zeit der Entstehung der Fresken aber immer alle Speisen gleichzeitig und nicht verschiedene Gänge nacheinander.

Die kleinen Wallfahrtskirchen von Obermauern (Virgen) und Assling zählen zu den bemerkenswertesten Kleinodien Osttirols. Der bekannte Passionszyklus in der Kirche Maria Schnee wurde vom einzigen Schüler des Malers Friedrich Pacher, Simon von Taisten (um 1450-um 1515), gestaltet. Simon von Taisten war Hofmaler der Grafen von Görz in Lienz, hinterließ aber in Obermauern eines seiner Hauptwerke. Die 30 Bildfelder an der Nordwand der Wallfahrtskirche können ähnlich einem Comic von links nach rechts gelesen werden. Die Szene mit dem Letzten Abendmahl gab der Künstler mit einer lang gestreckten Tafel wieder. Er platzierte Christus im Hintergrund des Bildes und gruppierte die Jünger an seinen Seiten. Im Vordergrund ist Jesus ein zweites Mal festgehalten worden. Simon von Taisten benützte diesen Kunstgriff, um die Fußwaschung und das Letzte Abendmahl in einem Wandfeld abbilden zu können.

Im Unterschied zu Simon von Taisten weiß man über den Maler der Asslinger Passionsfresken wenig. Sein Name lautet Andrä Peurweg (auch Peuerweg oder Peuerwang) und er starb 1592 in Lienz. Auch in seinem Lebenswerk spielen die Fresken mit der Leidensgeschichte Jesu eine bedeutende Rolle.

Der Erhaltungszustand der beiden Freskenzyklen ist unterschiedlich. Das ist darauf zurückzuführen, dass Simon von Taisten im wesentlich haltbareren „al fresco“ – also auf feuchtem Untergrund – und Andrä Peurweg „al secco“ – auf trockenem Putz – malte.

Wie viele mittelalterliche Darstellungen können auch die von Obermauern und Assling sowohl aufgrund ihres künstlerischen als auch ihres kulturhistorischen Werts beurteilt werden. Zu den kulturhistorisch interessanten Aspekten der Wandmalereien beider Kirchen zählt die gedeckte Tafel, die wohl dem entspricht, was zur Zeit der Entstehung der Zyklen allgemein auf den Tisch kam. Da es sich beim Letzten Abendmahl aber einerseits um das jüdische Paschafest handelte und es andererseits in Verbindung mit der Einsetzung der Eucharistie um Brot und Wein geht, unternahmen die Künstler den Versuch, ein dem Anlass entsprechendes Festmahl zu gestalten. Im Zentrum der Tafeln wurde daher der Lammbraten als traditionelles Gericht des jüdischen Pascha- bzw. christlichen Osterfestes platziert.

Vom Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert wurden alle Gerichte eines Essens zugleich serviert. Dem heutigen Zeitgeschmack vergleichbare Gänge gab es nicht, denn es wurden auch Süßspeisen abwechselnd mit gesalzenen Gerichten gegessen. Das gleichzeitige Auftischen aller Speisen hatte aber einen wesentlichen Nachteil, nämlich dass die Teilnehmer an einer Tafelrunde meistens nur in den Genuss lauwarmer oder bereits erkalteter Gerichte kamen. Denn schon das Tranchieren eines Bratens nahm so viel Zeit in Anspruch, dass er bis zum Verzehr kalt war. Dazu kam, dass es für jeden Koch schwierig war, alle Speisen gleichzeitig fertig zuzubereiten.

Die Sitte, die einzelnen Gänge getrennt voneinander zu servieren, kam zuerst im Russland des 19. Jahrhunderts auf. Beim so genannten „russischen Service“ wurden alle Gerichte nacheinander aus der Küche gebracht. Das hatte zur Folge, dass man vor allem für die Durchführung größerer Tischgesellschaften viel mehr Bedienungspersonal benötigte als früher. Als sich dann auch noch die Gepflogenheit durchsetzte, alles am Teller aufzutragen, konnten die Gäste nicht mehr selbst über die Größe ihrer Portionen entscheiden.