Bezirk: Lienz Bezirk: Innsbruck-Land Bezirk: Schwaz Bezirk: Imst Bezirk: Landeck Bezirk: Reutte Bezirk: Kitzbühel Bezirk: Kufstein Bezirk: Innsbruck

Altarretabel – unter dem Einfluss der höfischen Renaissance (1500 – 1550)

In einer Kapelle nahe Innsbruck wird ein bemerkenswertes Altarretabel aus der Renaissance aufbewahrt. Es entstand in der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts und somit in einer Epoche, in der das Kunstschaffen in Tirol von mehreren äußeren Faktoren geprägt war: Sowohl der Bergbau als auch der Fernhandel zwischen Süddeutschland und Oberitalien waren zurückgegangen. Auch der anfangs revolutionäre Geist der Reformation war erlahmt. Für die bildende Kunst hatte dies zur Folge, dass sich die Renaissance als Stilrichtung hier nie in der gleichen Weise entfalten konnte wie in ihrem Ursprungsland Italien. Es entstand eher eine Mischform, die sich aus Elementen der italienischen und der süddeutschen Renaissance zusammensetzte, was nicht zuletzt auf die Präsenz ausländischer Künstler in Tirol zurückzuführen ist. Sie gelangten vor allem als Hofkünstler hierher. Denn die Landesfürsten hatten schon zu Zeiten vor- und frühabsolutistischer Regierungsformen erkannt, dass ihre Repräsentationsbedürfnisse am besten durch Kunst befriedigt werden können. Die am Hof versammelten Künstler gestalteten aber eher profane Werke, weshalb sich aus der Renaissance in Tirol nur wenig sakrale Kunst erhalten hat.

Obwohl sich der Altar als einheitlich geschlossene Arbeit präsentiert, dürfte er aus Elementen unterschiedlicher Entstehungszeit und Herkunft bestehen. Während die klassisch-gotischen Flügelaltäre noch aus bemalten und geschnitzten Elementen bestanden, wurde dieser Altar nur aus bemalten Hartholztafeln verschiedener Größe zusammengesetzt. Es ist aber vor allem seine „Architektur“, die eine Entstehung in der Tiroler Renaissance der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts nahe legen: Das Retabel verfügt über eine einfache, verhältnismäßig niedrige Predella, über der sich seitlich zwei schlanke, kannelierte Säulen erheben. Diese Säulen schließen den mit Perl- und Eierstabmustern dekorierten Rahmen des Mittelteils seitlich ab. An ihnen sind auch die Seitenflügel befestigt. Den oberen Abschluss bildet ein Dreiecksgiebel. Auf der Predella ist eine Auferstehung Christi abgebildet und im Giebelfeld eine Himmelfahrtsszene, was sich in theologischer Hinsicht gegenseitig entspricht.

Bei geöffnetem Zustand sind im Mittelschrein neun Bildfelder zu sehen und auf den Seitenflügeln je drei. In einer von der üblichen Lesegewohnheit abweichenden Art wurden auf den Tafeln des Mittelschreins von rechts unten nach links oben folgende Episoden aus dem Leben Christi festgehalten: Geburt, Anbetung der Könige, letztes Abendmahl, Kreuzweg, Pietà, Ölbergszene, Ecce homo, Kreuzigung und Dornenkrönung. Im Unterschied zu den Bildern, die dem Leben und Wirken Jesu gewidmet sind, wurden auf den Innenseiten der Flügel sechs Heiligengestalten wiedergegeben. Es sind die Heiligen Benedikt, Sebastian, Franz von Assisi, Bernhard von Clairvaux, Rochus und Dominikus. Die insgesamt 15 Bildfelder wurden wahrscheinlich nicht nur von einem Künstler gemalt. Möglicherweise entstanden sie in einer Werkstatt, in der Einflüsse aus Italien, Deutschland und den Niederlanden verarbeitet wurden. Die Tafeln für diesen Altar entstanden in der Übergangsphase zwischen Renaissance und Frühbarock.

In geöffnetem Zustand hat der Altar ein kleinteiliges Erscheinungsbild. Im Gegensatz dazu setzen sich die Außenseiten der Flügel und die Rückseite lediglich aus vier hochformatigen Tafeln zusammen. Abermals wurden Heiligenfiguren dargestellt: die Heiligen Kunigunde und Wolfgang auf den Flügeln und die Heiligen Andreas und Petrus auf der Rückseite des Mittelschreins. Letztere wurden durch eine feine Leiste miteinander verbunden, was übrigens ein Hinweis darauf sein könnte, dass die Tafeln erst nachträglich an diesem Altar angebracht wurden.

Diese Bilder strahlen große Einfachheit und Ruhe aus. Der hl. Andreas trägt einen blauen Mantel, mit seiner linken Hand hält er das Andreaskreuz. Im Hintergrund der Tafel erhebt sich eine Burg. Der unten hell gestaltete Horizont geht nach oben in blauschwarze Wolken über. Der hl. Petrus ist als gedrungene Figur mit weißem Vollbart dargestellt. In seiner Rechten hält er sein Attribut, den Schlüssel für die Himmelspforte. Die Landschaft im Hintergrund des Heiligen geht in ihrem Kolorit wieder vom Hellen ins Dunkle über. Die hl. Kunigunde ist gemäß ihrem Stand als Adelige in einem schweren roten Kleid mit Hermelinbesatz wiedergegeben. In ihren Händen hält sie als Attribut die Pflugschar. Der hl. Wolfgang ist in seiner Pontifikalkleidung als Bischof festgehalten. In seiner linken Hand hält er den Bischofsstab, in seiner Rechten die Axt. Nach der Wolfgang-Legende gehören die Axt und das im unteren Bilddrittel abgebildete Kirchenmodell als Attribute zusammen.

Auf den Tafeln an der Rückseite des Altares befindet sich an unscheinbaren Stellen das Emblem eines geflügelten, Feuer speienden Drachens. Kunsthistoriker konnten auf der Basis dieser „Signatur“ den Künstler der Tafeln oder die Werkstatt, die sie herstellte, identifizieren: Lucas Cranach d.Ä., der auch das bekannte Mariahilf-Bild im Innsbrucker Dom geschaffen hat. Es ist bis heute ein ungeklärtes Rätsel der Tiroler Kunstgeschichte, wann der Altar seine heutige Erscheinungsform annahm. Auch kann nicht festgestellt werden, ob die Cranach-Tafeln von Lukas Cranach d.Ä. oder den Künstlern seiner Werkstatt stammen.