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Getreideharpfen – Trockengerüste in der Kulturlandschaft Osttirols (um 1955)

Die Veränderungen in der Landwirtschaft von der Selbstversorgung hin zur reinen Vieh- und Milchwirtschaft wirken sich mitunter auch in der Kulturlandschaft aus. Der Anbau von Getreide war in der Vergangenheit wichtiger Bestandteil der Grundversorgung der Tiroler Bauern. Heute sind die Getreideäcker fast gänzlich verschwunden und damit sind auch Nutzbauten und Vorrichtungen, die bei der Getreideernte wichtig waren, funktions- und nutzlos geworden.

Wer aufmerksam durch Osttirol fährt, wird allerdings auch jetzt noch zahlreiche leiterartige Holzgerüste auf den Feldern entdecken. Diese Trockengerüste, umgangssprachlich auch als „Harfen“ oder „Harpfen“ bezeichnet, dienten früher zum Nachreifen von Getreide und Hülsenfrüchten, wurden aber auch zum Nachtrocknen von Heu verwendet.

Ähnliche Holzkonstruktionen waren und sind in verschiedenen Gegenden der Ostalpen als Relikte der traditionellen landwirtschaftlichen Nutzung verbreitet: neben Osttirol auch in Nordtirol, in den Dolomiten, in Graubünden, aber auch sehr häufig in Kärnten und Slowenien.

Während Hackfrüchte wie Kartoffeln, Mais oder Zuckerrüben sofort vom Feld an ihren Aufbewahrungsort gebracht wurden, hatten Getreide oder Hülsenfrüchte meist noch im Feld nachzureifen und abzutrocknen. In feuchten Gebirgsgegenden oder in Höhenlagen, in denen das Ausreifen des Getreides auf dem Acker nicht mehr gewährleistet war, verwendete man Stangengerüste, die das Austrocknen wesentlich förderten. Neben dieser von Zeit und Witterung stark beeinflussten ökonomischen Arbeitseinteilung bedeutete das Nachtrocknen direkt auf den Feldern gleichzeitig Platzersparnis in den Scheunen und schließlich eine bessere Qualität der Frucht.

Die Getreideharpfen wurden meistens mit ihrer Schmalseite zur Wetterseite ausgerichtet, um Wind und Regen eine möglichst geringe Angriffsfläche zu bieten. Die Grundform dieser hölzernen Balkengerüste besteht aus zwei senkrechten Holzsäulen, die mit ihrem dicken und gegen Fäulnis angekohlten Ende in ein ausgehobenes Erdloch versenkt und mit Steinen verkeilt werden. In die Säulen sind in regelmäßigen Abständen Löcher ausgehackt oder gebohrt, in die waagrecht Stangen eingeschoben werden. Aus statischen Gründen ist jede Säule außerdem ein- oder beidseitig mit schrägen Stützen unterkeilt, um dem Winddruck standzuhalten. Oft schützt ein schmales Satteldach das aufgehängte Getreide notdürftig vor der Witterung.

Diese leiterartige Grundform kann je nach Bedarf um ein oder mehrere Elemente in Längsrichtung erweitert werden. Es besteht aber auch die Möglichkeit, zwei Harpfen in geringem Abstand parallel auszurichten und gegeneinander zu versteifen. Werden derartige Doppelharpfen dann noch mit einem stabilen Dach überdeckt, erhalten sie bereits den Charakter einer Scheune.

Nach der Ernte wird das Getreide zu den Trockengerüsten transportiert und gebündelt und dann in den waagrechten Stangen oder Holzleitern aufgehängt. Diese Arbeit wird von zwei Männern erledigt. Einer steht am Gerüst auf einem stuhlähnlichen Gestell, das in einer waagrechten Stange eingehängt ist. Er schlichtet die Garben in bestimmten Abständen auf das Stangengerüst, während der zweite ihm mit einer Holzstange die vorbereiteten Garben hinaufreicht. Die Entleerung erfolgte meist erst im Oktober, wenn die meiste Feldarbeit erledigt war. Mit dem Übergang vom händischen hin zum maschinellen Dreschen des Getreides konnte die Einfuhr bereits auch in günstigen sommerlichen Arbeitspausen erfolgen.

Die Trockengerüste werden auch noch gegenwärtig zum Nachtrocknen von Heu verwendet. Überdachte Doppelharpfen dienen als Lager- und Abstellplatz für landwirtschaftliche Geräte. Aber auch dort, wo sie nicht mehr unmittelbar in Gebrauch stehen, werden die Trockengerüste zunehmend als typische und reizvolle Elemente der Kulturlandschaft nach Möglichkeit erhalten und gepflegt.