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Schutzengel – Prozessionsfiguren von Johann Paterer in Osttirol  (um 1750)

In manchen Gegenden Tirols können unter allen Kunstschätzen immer wieder solche ausgemacht werden, die einem bestimmten Bildschema folgen. Das ist darauf zurückzuführen, dass in früheren Epochen Künstler eher als Handwerker betrachtet wurden, deren Fähigkeiten nach dem Motto „Kunst kommt von Können“ beurteilt wurden. Daher erstaunt es nicht, dass manche regional tätigen Künstler in Bezug auf einen Darstellungstypus (z.B. Marien-Plastiken, Anna selbdritt-Gruppen etc.) eine hohe gestalterische Fertigkeit entwickelten. Das bot ihnen zugleich den Anreiz, ein und dasselbe Bildmotiv mehrfach umzusetzen. Parallel dazu löste diese Art einer künstlerischen und handwerklichen Kompetenz bei den Auftraggebern dieser Künstler eine hohe Nachfrage nach bestimmten Gestaltungsmotiven aus.

Gut nachvollziehen lässt sich das an einer Reihe von Schutzengel-Prozessionsfiguren, die sich im Bezirk Lienz erhalten haben und von denen die meisten vom bekannten Osttiroler Barockbildhauer Johann Paterer (1712-1785) stammen. Diese von ihm geschaffenen Schutzengelfiguren sind aufgrund ihrer eleganten Gestaltung und der Geschmeidigkeit ihres Bewegungsbildes in die Kunstgeschichte eingegangen.


Der aus Dölach, Gemeinde Hopfgarten in Defereggen, gebürtige Johann Paterer war in der Zeit von 1738 bis 1785 sicher einer der erfolgreichsten Lienzer Künstler. Das beweist der Umstand, dass von ihm ca. 270 Figuren bekannt sind, die sich in der Gegend zwischen Sillian, Matrei in Osttirol, Prägraten, Kals und sogar bis Hermagor im Kärntner Gailtal erhalten haben. Johann Paterer erhielt seine Ausbildung in Innichen (heute Südtirol/Italien) beim Bildhauermeister Mathias Schranzhofer. Er verbrachte aber auch wichtige Lehr- und Wanderjahre in den beiden „Hochburgen“ barocker Bildhauerkunst, in Venedig und Trient. Es dürfte wohl in Venedig gewesen sein, wo er wichtige künstlerische Impulse aus dem Wirkungskreis Giovanni Lorenzo Berninis (1598-1680) empfing, wohingegen er in Castione bei Trient nachweislich in der berühmten oberitalienischen Bildhauerwerkstätte der Benedetti arbeitete. 1738 kehrte Paterer nach Lienz zurück, wo er als Bürger aufgenommen wurde und wo insbesondere seine Ausbildung in Italien gewürdigt wurde. Seine zahlreichen Aufträge begründeten seinen raschen wirtschaftlichen Aufstieg und ermöglichten ihm auch eine baldige Heirat.

Die Schutzengel-Prozessionsfiguren Johann Paterers folgen alle einer relativ einheitlichen Komposition: Auf einer Weltkugel ist ein stehendes Kind platziert, dessen rechtes Spielbein leicht angewinkelt ist. Sein Kopf ist nach oben gewandt und sein Blick auf eine Engelsfigur gerichtet. Um die Weltkugel, auf der das Kind zu stehen scheint, windet sich eine Schlange. Sie ist das Sinnbild des Bösen. Auf manchen der Schutzengel-Darstellungen ersetzte sie Paterer durch eine Teufelsfigur, die er effektvoll – auf der Bodenplatte der Prozessionsstatue aufliegend – darstellte. Bei den meisten der Plastiken schwebt der Schutzengel von rechts oben auf die Figur des Kindes herab. Er ist mit flatterndem Gewand abgebildet, seine rechte Hand hält er schützend in Richtung des Kindes ausgestreckt. Diese Geste des Engels kann auch so gedeutet werden, dass er seine Hand ausstreckt, um das Kind vom Bösen auf der Welt loszureißen – es quasi vom Biss der Schlange zu bewahren.

Die meisten der Figuren schuf Paterer um 1750, sie sind ca. 180 cm hoch, aus Holz geschnitzt und wurden farbig gefasst. Die Figurengruppen sind aufgrund ihrer Geschmeidigkeit und Eleganz auffallend, nicht zuletzt aber auch wegen ihrer „gewagten Statik“. Ermöglicht wird diese anscheinend gegen die Gesetze der Schwerkraft verstoßende Gestaltung dadurch, dass die Figurengruppen jeweils auf starken Holzbrettern montiert wurden. Von den Bodenplatten ausgehend, führte Paterer unsichtbar bleibende Metallstangen durch die Skulpturen. Diese „Eisengerüste“ reichen von der Weltkugel über die Figur des Kindes und den Schleier bis in den Arm des Engels – ein Kunstgriff, der notwendig war, weil die Skulpturen als Freiplastiken konzipiert wurden. Überdies wurden sie bei den Prozessionen am Schutzengelfest (am 2. Oktober) mitgetragen.