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Herz Jesu – Ausdruck historisch gewachsener Volksreligiosität in Tirol (ab 1796)

In allen Landesteilen Tirols ist die Herz-Jesu-Verehrung weit verbreitet: Der erste Sonntag nach Fronleichnam wird traditionell als „Herz-Jesu-Sonntag“ bezeichnet, es gibt aber auch viele Klöster, Kirchen und Kapellen, die dem mystischen Symbol für Jesus geweiht sind, z.B. die Herz-Jesu-Kirche und das Kloster der Redemptoristen, der Konvent der Herz-Jesu-Missionäre in Innsbruck oder jener der Töchter des Herzens Jesu im ehemaligen Damenstift in Hall in Tirol. Parallel dazu dürfen die zahlreichen Kunstwerke nicht vergessen werden, auf denen das Herz Jesu mit einem Flammenkranz und manchmal mit Dornenkrone abgebildet ist, u.a. Paramente, Devotionalien und Fahnen, die bei Prozessionen mitgeführt werden. Fast in jeder Kirche bzw. Kapelle des Landes findet sich eine Herz-Jesu-Statue, Christus darstellend, der sein dornengekröntes Herz auf seiner Brust zeigt. Das Herz-Jesu-Thema ist aber auch vor dem Hintergrund der Kulturgeschichte des Landes von Bedeutung, weil aus dem in Krisenzeiten notwendigen Entzünden von Bergfeuern der Brauch der so genannten „Herz-Jesu-Feuer“ hervorgegangen ist.

In theologischer Hinsicht geht das Bild vom brennenden bzw. „sprechenden Herzen“ – und somit auch der viel später entstandene Herz-Jesu-Kult – auf Wurzeln im Alten Testament zurück. Denn die Auffassung, dass das Herz das Lebenszentrum des Menschen ist, war schon in der alten jüdischen Tradition tief verankert. Das bezeugen u.a. zahlreiche Stellen im Buch der Sprichwörter, das Leitsätze verschiedener Herkunft enthält und in seinem Grundbestand schon im 7. Jahrhundert v. Chr. entstanden sein dürfte. Dort heißt es z.B.: „Auch beim Lachen kann das Herz trauern, und nach der Freude kommt Leid“ (Spr 14,10) oder „Ein verständiger Mann trägt nicht Klugheit zur Schau; aber das Herz der Narren ruft seine Narrheit aus“ (Spr 12,23). Daraus erschließt sich, dass das „Herz“ traditionell als das personale Innere des Menschen aufgefasst wurde. Im Herzen wurde der Ort lokalisiert, an dem sich sowohl alle religiösen und emotionalen als auch alle kognitiven und rationalen Prozesse vollziehen. Unter „Herz“ verstand man also mehr als nur ein Körperorgan.

In der christlichen Welt gewann die Herz-Jesu-Verehrung in der spätmittelalterlichen Mystik an Bedeutung, ihre eigentliche Blüte und europaweite Verbreitung erfuhr sie jedoch durch die Jesuiten, ausgehend vom Frankreich des 17. Jahrhunderts: Am 27. Dezember 1673 hatte die französische Nonne Margareta Maria Alacoque (1647-1690) vom Orden der Heimsuchung des heiligen Franz von Sales in Paray-le-Monial die Vision von einem durch einen Lanzenstich verwundeten Herzen Jesu, das nach allen Seiten Flammen abstrahlt. Mit diesem Tag begann in der katholischen Welt die Verehrung des Herzen Jesu.

1793 weihte der kurz vor seiner Hinrichtung stehende französische König Ludwig XVI. (1754-1793) Frankreich dem Herzen Jesu. Der Monarch war infolge der Französischen Revolution entmachtet und zum Tod verurteilt worden, dennoch dürfte seine Geste, ein ganzes Land unter die Patronanz des Herzens Jesu zu stellen, europaweit für Nachhall gesorgt haben – auch in Tirol, wo es 1796 zum so genannten „Herz-Jesu-Gelöbnis“ kam: 1792 war zwischen dem von der Revolution geprägten Frankreich und der österreichisch-habsburgischen Monarchie Krieg ausgebrochen. Die „Koalitionskriege“ genannten Auseinandersetzungen dauerten von 1792 bis 1815. Gründe für ihren Ausbruch waren u.a. die Durchsetzung des Gedankenguts der Revolution und die Sicherung der „natürlichen Grenzen“ Frankreichs.

Die Bevölkerung Tirols wurde im April 1796 in Kriegsbereitschaft versetzt. Alle waffentauglichen Männer wurden militärisch geschult und bereits nach kurzer Zeit konnte ein ca. 7000 Mann starkes Heer an die südlichen Grenzen geschickt werden. Im selben Jahr trat der Ausschuss der Tiroler Landstände in Bozen zusammen, um über die Situation zu beraten. Damals war es die Idee des Abtes von Stift Stams, Sebastian Stöckl, das Land Tirol dem „Heiligsten Herzen Jesu“ anzuvertrauen und so göttlichen Beistand zu erhalten. Der Vorschlag wurde einstimmig angenommen und hatte zur Folge, dass der Landsturm einen bis dahin noch nie erlebten Zulauf an Freiwilligen erlebte. Als die Tiroler Truppen später überraschend gegen Franzosen und Bayern siegten, wurde der Herz-Jesu-Sonntag zum hohen Feiertag erklärt. Noch heute wird der Herz-Jesu-Sonntag mit einem so genannten „Landesgelöbnisgottesdienst“ begangen.

Vor dem Hintergrund erstaunt es nicht, dass die meisten Kunstwerke und religiösen Objekte mit Herz-Jesu-Motiven nach 1796 entstanden. Einen besonderen Bezug zum Herz-Jesu-Gelöbnis von 1796 haben aber die Herz-Jesu-Feuer: Ende des 18. Jahrhunderts gab es nur wenige Möglichkeiten, rasch über weitere Strecken zu kommunizieren. Aus diesem Grund wurden auf Anhöhen und Gipfeln Signalfeuer entzündet. Sie dienten dem Zweck, den Tiroler Landsturm einzuberufen. Da zwischen den Feuern und dem brennenden Herzen Jesu aber auch eine metaphorische (= sinnbildliche) Verbindung besteht, entwickelte sich – von Südtirol ausgehend – daraus der Brauch des Entzündens von Herz-Jesu-Feuern.