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Kupferstiche als Amulettzettel – Kräftiges Gebeth zu der heiligen Achselwunde  (um 1750)

Nicht nur in der Kunst, auch im Bereich des religiösen Brauchtums hat sich so manches merkwürdige Relikt erhalten, z.B. die so genannten „Amulettzettel“. Dabei handelt es sich um eine spezifische Gattung von Andachtsbildern, deren Aufgabe darin bestand, ihre Besitzer vor Unheil zu bewahren. Unter bestimmten Umständen konnten sie aber auch einen Ablass bewirken.

In der Regel wurden Andachtsbilder in Form von Kupferstichen hergestellt, die – als Massenware auf billigem Papier gedruckt – so auf den Markt kamen. Die mindere Papierqualität ist auch die Ursache für den schlechten Erhaltungszustand einzelner dieser Devotionalien. Auf einem typischen Andachtsbild ist eine Abbildung mit einem Gebet oder Spruch zu sehen. Zu den häufigen Motiven zählten christliche Symbole sowie Christus-, Maria- und Heiligendarstellungen. Seltener sind so genannte Ablass- bzw. Amulettzettel mit ihren zum Teil kurios anmutenden Darstellungen, darunter einer, auf dem eine Fleischwunde, große Blutstropfen und folgender Text festgehalten wurden: „Kräftiges Gebeth zu der heiligen Achselwunde./ Sey gegrüßt, du heilige Achsel, wir grüßen dich zu hundert tausend Malen, und ehren dich mit deiner Gnade, o Jesu.“

Solche Andachtsbildchen waren auch als Ablasszettel in Gebrauch, was aus dem Mittelteil des Bildchens hervorgeht. Einst soll Christus dem hl. Bernhard Folgendes mitgeteilt haben: „Ich hatte eine 3 Finger tiefe/ Wunde auf meiner Achsel, als ich mein Kreuz trug, dieselbe Wunde war mir viel pein=/ licher, als alle anderen Wunden; deßwegen, wenn ein Mensch in Kraft dieser Wunde,/ von mir wird begehren, dessen will ich ihm gewähren.“ Am Schluss heißt es: „NB. Papst Eugenius III. hat allen denjenigen, welche zu Ehren der Achselwunde/ Christi 3 Vater unser und 3 Ave Maria bethen, tausend Jahre Ablaß ver=/ liehen. Im Jahre 1153.“

Der genannte Papst war Eugen III., der von 1145 bis 1153 regierte und 1872 selig gesprochen wurde. Sein Name wurde dazu herangezogen, dem Ablasszettel einen offiziellen Charakter zu verleihen und den tausendjährigen Sündenerlass zu beglaubigen.

Daneben wurden Andachtsbilder wie dieses aber auch als magische Schutzzettel gebraucht, was aus einer anderen Devotionalie noch deutlicher hervorgeht. Auf ihr wurde ebenfalls die Achselwunde, ergänzt von einem Nagel des Kreuzes Christi, abgebildet. Der Text unter der Überschrift gibt Auskunft: „Dis ist die Länge und Breite der Wunden/ so Christo d. Herr in sein li. Seiten gestochen worden. Welcher Mensch solche mit Andacht ansihet/ dabey das bittere Leyden Christi betrachtet/ dem werden dadurch viel Sünden nachgelassen.“ Die Formulierung legt den Schluss nahe, dass es sich bei diesem Bildchen nicht nur um ein Andachtsbildchen oder einen Ablasszettel handelte, sondern vielmehr um einen Amulettzettel:

Die Angabe von so genannten heiligen Maßen oder heiligen Längen (z.B.: „rechte Läng und Dicke unserer lieben Frau“, „Fußspur Mariens“, „Leng Christi an seiner Menschheit“) waren im Volksglauben weit verbreitet. Dem lag die Auffassung zugrunde, dass man in den Genuss des Schutzes bzw. der Heilkraft Jesu, Mariens oder eines Heiligen gelangen könne, wenn sie durch eine genaue Größenangabe ihrer Füße, ihrer Leidenswerkzeuge etc. bildlich „vertreten“ seien. Diese Art einer Stellvertreterfunktion erlangte in Verbindung mit den am Andachtszettel festgehaltenen Gebeten ihre volle Kraft.

Historisch gesehen berichtete schon Erzbischof Gregor von Tours (538/539-594) von heiligen Maßen, ihre Verehrung wurde aber schon im Mittelalter als Aberglaube angesehen und verboten. Da aber schon immer eine enge Beziehung zwischen der Kreuzesverehrung, den so genannten „Arma Christi“ (Leidenswerkzeugen Christi) und der Passion (Leiden Christi) bestand, konnte die Kirche eine stete Zunahme von Abbildungen der Marterwerkzeuge und Wunden Christi zur Mobilisierung des Mitgefühls der Gläubigen nicht so einfach unterbinden.

Voraussetzung für die Verwendung solcher Andachtsbilder als Amulettzettel war, dass sie geweiht und berührt waren, denn erst durch den Vollzug von bestimmten rituellen Akten und Gebeten konnten sie „zum Funktionieren“ gebracht werden. Häufig wurden die Amulettzettel Wöchnerinnen ins Bett gelegt, als Heilpflaster auf kranke Körperteile aufgetragen oder in Verbände eingewickelt. Manchmal löste man sie auch in Wasser auf, das anschließend getrunken wurde. Miniatur-Amulettzettel – so genannte „Schluckbildchen“ – wurden gegessen oder dem Vieh ins Futter gegeben.

Vor diesem Hintergrund erschließt sich, dass Berichte über Wunderheilungen durch Andachtsbildchen in der älteren christlichen Tradition hohen Stellenwert einnahmen und manchmal sogar für die Gründung von neuen Gnadenstätten ausschlaggebend waren.