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Kalvarienberge – Nachbildungen des letzten irdischen Weges Christi (ab 1820)

Auf einer Fahrt von Innsbruck in das Tiroler Oberland bestimmen auf beiden Seiten des Inntals mehrere Kalvarienberge das Panorama. Weithin sichtbar sind die Pilgerstätten von Rietz, Telfs und Flaurling, deren Ursprünge auf die Barockzeit zurückgehen. Nachdem es sich bei den Kreuzwegstationen mit ihren Kapellen um sakrale Denkmäler handelt, die im religiösen Brauchtum Tirols fest verankert sind, wurden die Sakralräume bis heute nicht nur gepflegt, sondern vielfach auch durch moderne Kunstwerke erweitert.

Die ersten Kalvarienberge entstanden in der Nachfolge der Kreuzzüge: Nach ihrer Ankunft in Jerusalem war das Ziel der Kreuzritter die über der Schädelstätte „Golgotha“ (lateinisch calvariae, für „die Schädel“) errichtete Grabeskirche. Später kam es zu einer „Übertragung“ des letzten irdischen Weges Jesu auch in die Heimatländer der kriegerischen Pilger. So wurde es in ganz Europa üblich, im Gedenken an die Passion Christi Kalvarienberge zu errichten (z.B. gehören Kalvarienberge auch zu den Wahrzeichen der französischen Bretagne).

Den letzten Weg Jesu durch die Jerusalemer Via Dolorosa nachzugehen und über sein Erlösungswerk zu meditieren, hat schon die Urchristen bewogen, in das Heilige Land zu reisen und die Stätten des Kreuzweges aufzusuchen. Doch der von den Kreuzfahrern nach Europa gebrachte Brauch, Pilgerstätten in Form von Kalvarienbergen umzusetzen, erreichte – bezogen auf Tirol – erst in der Barockzeit seinen Höhepunkt. Denn der Kalvarienberg und der mit ihm in Verbindung stehende Prozessionsweg entsprachen ganz den Idealen der Gegenreformation und dem barocken Gesamtkunstwerksgedanken. Überdies hatten so auch die Gläubigen, die den weiten Weg in das Heilige Land nicht auf sich nehmen konnten, die Möglichkeit, diesen Weg zu gehen und an den einzelnen Stationen betend innezuhalten.

Vorerst variierte noch die Anzahl der Stationen, bis sich unter dem Einfluss der Franziskaner der Kanon von 14 Kreuzwegstationen im späten 18. Jahrhundert endgültig herausbildete. Daher hatte der erste Kalvarienberg Tirols – dieser wurde 1519 in Toblach in Südtirol realisiert – noch sechs Kapellen bzw. Stationen.

Der Kalvarienberg von Rietz liegt auf einer Hügelkuppe wenige Gehminuten oberhalb der Wallfahrtskirche und entstand 1661 als Anlage mit vier Kapellen: einer Ölbergkapelle, einer Marienkapelle, einer Grabkapelle und einer Kalvarienbergkapelle. Letztere ist besonders erwähnenswert, weil sich hier eine lebensgroße, vielfigurige Kreuzigungsgruppe von Andreas Thamasch (See im Paznaun 1639-1697 Stams) befindet. Die höchst expressive Darstellung gehört zu den Frühwerken des bekannten Meisters des Tiroler Hochbarock. Die Marienkapelle sollte aufgrund ihres ikonographisch interessanten Deckengemäldes besucht werden. Hier ist eine „Vertreibung aus dem Paradies“ zu sehen. Das Wandbild stammt von einem namentlich nicht überlieferten Künstler, der das Paradies als streng angelegten Barockgarten interpretierte.

Der Kalvarienberg von Telfs wurde 1820/1830 vor dem sich im Hintergrund erhebenden Bergmassiv der Hohen Munde erbaut. Der malerische, in Hanglage realisierte Komplex liegt im Ortsteil St. Moritzen und besteht aus einer Marienkapelle, einem überdachten Stiegenaufgang und einer klassizistischen Kreuzkapelle auf der Hügelkuppe.

Als landschaftsprägendes Ensemble präsentiert sich auch der auf einer Erhebung südöstlich des Dorfes gelegene Kalvarienberg von Flaurling aus dem Jahr 1824. Man erreicht ihn von einem heute nur noch wenig begangenen Weg vom östlichen Bereich des Dorfzentrums (zwischen Gasthof Goldener Adler und Pfarrkirche) aus. Elf neuromanische Kapellen mit Säulenvorbau führen zur eigentlichen Kalvarienbergkapelle. Diese wurde als offener, auf Säulen ruhender Bau ausgeführt, der mit einer Rundapsis nach hinten abschließt. Zu ihren Füßen befindet sich der 1869 errichtete „Zinnenturm“, in dem sich eine Figur mit Christus im Kerker befindet, die ebenfalls der Werkstatt von Andreas Thamasch zugeschrieben wird und ca. 1690 entstanden sein dürfte. Die Stationskapellen sind 1966 mit Mosaiken des Imster Künstlers Herbert Wachter (geb. 1928) ausgestattet worden. Vom Flaurlinger Kalvarienberg hat man einen wunderbaren Ausblick auf das Dorf und die Umgebung im Inntal.