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Friedhofserweiterung Sölden (ab 2005)

Ursprünglich hatte die Gemeinde Sölden im Ötztal vor, ein für die Anlage eines neuen Friedhofes eigens angekauftes Grundstück zu verwenden und schrieb einen Gestaltungswettbewerb aus. Bei der diesbezüglichen Konkurrenz war der Innsbrucker Architekt Raimund Rainer erfolgreich, obwohl er vom vorgegebenen Bauplatz in Hanglage oberhalb der Pfarrkirche Mariae Heimsuchung abwich und stattdessen – gemäß der Tiroler Tradition – eine Bebauung im Umfeld der Kirche vorschlug. Sölden, eine Hochburg des Wintertourismus im inneren Ötztal, nahm die Chance für eine Verbesserung der „Dorfentwicklung“ wahr und setzte 2005 Raimund Rainers Projekt unter schwierigen räumlichen und konstruktiven Voraussetzungen um. In den Jahren 2007/2008 erfolgte eine Erneuerung des südlichen Kirchenvorplatzes beim Hauptportal, in deren Rahmen ein Verbindungsweg zur Friedhofserweiterung von 2005 geschaffen wurde. Darüber hinaus gelang es, eine am Hanggrundstück ebenfalls geplante, aber die Landschaft zu verunstalten drohende Trafostation so geschickt in das Bauvorhaben zu integrieren, dass sie jetzt kaum wahrgenommen wird.

In vielen Gemeinden stellen Friedhofserweiterungen ein Problem dar, weil oft die Entscheidung getroffen wird, außerhalb des Zentrums und abseits der Kirche einen neuen Gottesacker zu errichten. Das wird meistens von der Bevölkerung abgelehnt, weil es seit Jahrhunderten Tradition ist, die Gräber auf dem Grundstück der Kirche anzulegen. Bei der Friedhofserweiterung von Sölden im Jahr 2005 ging der Vorschlag, den Gottesacker dort zu belassen, wo er immer schon gewesen war, eigentlich von Architekt Rainer aus, wodurch sein Konzept genau den Wünschen der Einwohner entsprach. Es gelang dann mit Unterstützung von einigen Gemeindevertretern und einer Gruppe privater Investoren den vor über 30 Jahren schon einmal erweiterten Gottesacker nochmals zu vergrößern. Zu den wichtigsten das Vorhaben begleitenden Maßnahmen zählten dabei der Abriss eines Hauses mit Lehrerwohnungen, das den Blick auf die Kirche verstellt hatte, sowie die Realisierung von zwei kleinen Tiefgaragen – alles auf engstem Raum.

Der neue Friedhofsteil befindet sich auf einem Grundstück, das von einem Gebirgsbach, einem Gebäude mit Bank und Post, dem Pfarrhaus und der Kirche sowie der örtlichen Volksschule begrenzt wird. Durch die Beseitigung des auf dem Baugrund ehemals befindlichen Wohnhauses für Lehrer ergab sich zwischen Ortskern und Kirche wieder freie Sicht. Darüber hinaus konnte dem Ensemble zwischen Kirche, Friedhof und Schule nun auch ein Versammlungsplatz mit Sitzterrassen vorgelagert werden.

Aus dem Verlauf des ins Tal stürzenden Gebirgsbaches ergab sich auch das Baukonzept für das kleine Hanggrundstück. Raimund Rainer nützte die Neigung des Bauplatzes für die Erschließung und die Unterbringung von technischen Einrichtungen: einer zweigeschossigen Tiefgarage hinter der Post, einer weiteren im Bereich der Schule sowie eines Kleinkraftwerks, das sich unter der entlang des Baches verlaufenden Treppe befindet. Die an dieser Stelle überaus kostenintensive Errichtung der Tiefgaragen wurde von den privaten Investoren übernommen.

Das wichtigste sichtbare Gestaltungselement dieser Friedhofserweiterung ist die Umfassungsmauer. Um dem massiven Druck des Hanges optisch Gestalt zu verleihen und zusätzlichen Platz für den Gottesacker zu gewinnen, wurde die Stützwand schräg gestellt. Sie neigt sich den von der Dorfstraße heraufkommenden Besuchern zu. Zuerst treffen sie auf ein in den Beton gegossenes Kreuz und können von dort entweder über ein Stiegenhaus mit Fahrstuhl oder über die Freitreppe das neue, auf Terrassen angelegte Gräberfeld erreichen. Die Friedhofsmauer wurde von Raimund Rainer als Sichtbetonwand konzipiert und stellte die Baufirmen vor große Herausforderungen. Es ist vor allem dem Einsatz relativ neuer Produkte auf dem Gebiet der Träger- bzw. Rahmenschalung zu verdanken, dass eine Ausführung des Sichtbetons von bemerkenswerter Qualität erreicht werden konnte. Das Erscheinungsbild des Betons mit seinen vorgegebenen Ankermustern, Öffnungen für die Urnengräber und Fugen, z.B. für die Integration der Beleuchtung, entspricht wohl nicht der Vorstellung, die der Bürger einer Tiroler Gemeinde von einer Friedhofsmauer hat. Da das Konzept aber die Kirche wieder dem Dorf näher gebracht hat und darüber hinaus eine Anlage geschaffen wurde, die allen Einwohnern genügend Freiraum für die persönliche Grabgestaltung lässt, konnte das Bauvorhaben die Ortsbewohner überzeugen.

Aus diesem Grund wurde Architekt Rainer ein weiteres Mal mit Umbauten auf dem Friedhofsareal betraut. In den Jahren 2007/2008 entstand ein neuer Zugangsbereich im Süden der Kirche, wo ein barrierefreier Weg direkt zum Hauptportal des Gotteshauses, ein neuer Kirchenvorplatz und eine Verbindung zur vorherigen Friedhofserweiterung entstand. In die neu geschaffene Friedhofsmauer konnte eine an diesem Standort unumgängliche Trafostation so eingefügt werden, dass sie das Ortsbild nicht beeinträchtigt.