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Bezirksgericht Kufstein (1910)

Die jüngere Architekturgeschichte Kufsteins ist bis heute davon geprägt, dass hier schon in der Zeit um 1900 aktiv Stadtplanung betrieben wurde. Pläne für die Stadterweiterung schuf der Münchner Architekt Otto Lasne und bei den seinen Konzepten nachfolgenden Wettbewerben reüssierten nicht selten Kollegen aus Süddeutschland. Von München und Stuttgart herkommend, führten sie den Heimatstil in Kufstein ein. Dabei handelte es sich um eine im späten 19. Jahrhundert entstandene Richtung der Architektur, die sich in der Stadt am Inn in ihrer romantisch-konservativen Ausprägung manifestierte. Da bei den Vertretern dieser Strömung Gesichtspunkte des Heimatschutzes eine wichtige Rolle spielten, gestalteten sie ihre Bauten in Form einer empfindsamen Reaktion auf den historischen Baubestand, was sich auf die Erhaltung des Stadtzentrums insgesamt positiv auswirkte.

Das 1985 generalsanierte Gebäude des Bezirksgerichts kann heute als eindrucksvolles Zeugnis dieser Ära der architektonischen „Modernisierung“ Kufsteins betrachtet werden. Der Bau entstand 1910 und verfügt über einen markanten, weithin sichtbaren Eckturm mit dem Haupteingang. Auch in den Innenräumen ist der hohe Anspruch des Heimatstils hinsichtlich qualitativ hochwertig gestalteter handwerklicher Details nachvollziehbar.


Das 1910 errichtete Gebäude des Bezirksgerichts befindet sich an der Kreuzung von Georg-Pirmoser-Straße und Praxmarerstraße. Das Zusammentreffen der beiden Straßenzüge hatte Auswirkung auf das architektonische Konzept des Baues, in dessen Zentrum ein Eckturm steht. Vergleichbar mit einem „Gelenk“ verbindet der Turm die zwei Hauptachsen des Gebäudes. Zugleich stellt er den architektonischen Hauptakzent des Gebäudes dar, weil er die von ihm ausgehenden Flügel an Höhe überragt. Auch wenn der Turm auf den ersten Blick wie ein runder Bauteil wirkt, besitzt er dennoch in den unteren Geschossen eine quadratische bzw. in den oberen Stockwerken eine achteckige Grundform. Ganz dem Zeitgeschmack entsprechend, wurde der obere Abschluss dieses Bauteils in Form einer Zwiebelhaube mit Laterne gestaltet.

Die von der Straßenecke ausgehenden Gebäudeflügel haben unterschiedliche Länge (acht bzw. fünf Fensterachsen). Wesentlich für das Erscheinungsbild sind die unterschiedlich geformten Fenster, vor allem aber die zweiflügeligen Fenster mit der kleinteiligen Verglasung der Oberlichten.

Eine zusätzliche „Belebung“ der Fassade bewirkt das Hervorspringen eines mehrgeschossigen Gebäudeteils an der Georg-Pirmoser-Straße. Hier geht ein zweigeschossiger Vorbau in einen Eckrisalit über. Mit solchen vorspringenden Bauteilen (Mittel- oder Seitenrisaliten) wurden vor allem Barockpaläste ausgestattet. Für die weitere Akzentuierung seines Gebäudes bediente sich der Architekt des Bezirksgerichts spätmittelalterlicher bzw. aus der deutschen Renaissance stammender Bauelemente. An der Ostseite des Gebäudes ist ein Querriegel angebaut, der – im Norden und Süden leicht vorspringend – von einem Treppengiebel abgeschlossen wird und an der Nordfassade einen dreiseitigen flachen Erker mit bekrönender zwiebelartiger Bedachung im Giebelfeld aufweist. Die nicht auf eine „Reinheit des Stils“ bedachte Kombination von barocken mit mittelalterlichen bzw. aus der frühen Neuzeit stammenden Bauteilen (z.B. Treppengiebel, Blendtreppengiebel am Turm, Glockenhaube, Dachgaupen) entspricht hier ganz dem Entwurfsprinzip des romantischen Heimatstils.

Im Turm befindet sich der Hauptzugang in das Bezirksgericht. Ursprünglich befand sich hier nur ein Spitzbogenportal, in der jüngeren Vergangenheit wurde ihm aber außen ein gläsernes Vordach vorgesetzt. Ein im Turm gelegener Vorraum ist im Gewölbe mit Stuckrippen und zentraler Rosette dekoriert.

Der repräsentative Charakter setzt sich im Inneren des Gebäudes in den Gängen und im Treppenhaus fort. Das architektonische Zusammenspiel von Stilelementen aus verschiedenen Epochen („Historizismen“) runden das bestehende architektonische Konzept ab und verleihen dem Bauwerk Eleganz.