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Glas aus Kramsach, Nabelflaschen und andere Schnapsflaschen (ab 1800)

Seit dem 17. Jahrhundert sind die Glaserzeugung und Glasveredelung wichtige Wirtschafts- und Industriezweige in Tirol. Die historischen Wurzeln dieser Entwicklung sind zu einem großen Teil in der Tätigkeit der Kramsacher Glashütte zu suchen, die über 300 Jahre lang bestimmend in Tirol war.

Ihre vielfältige Produktpalette befriedigte einerseits die praktischen Bedürfnisse der Tiroler Bevölkerung, zum anderen wurden auch dekorative Luxusgläser hergestellt. Neben Prunkschalen und Überfanggläsern in verschiedenen Farben mit perfekten Schliffen und hochwertigen Gravuren wurden Gebrauchsgläser des täglichen Bedarfs – wie Apothekerfläschchen, Tintenfässer, Salzstreuer und Flaschen jeglicher Art – hergestellt.

Gründer der Glashütte Kramsach war 1626 die aus Böhmen stammende Familie Schreyer, die böhmische Einflüsse mit der örtlichen Tradition der Waldglashütte vermischte. Typisch für Schreyer waren bis ins 18. Jahrhundert hinein die oft starkfarbigen Nabelflaschen. Unter den vielen nachfolgenden Besitzerfamilien sind die Geiger (ab 1867) hervorzuheben, unter denen erstmals Objekte aus Pressglas entstanden, sowie August Kalus (ab 1877), der teure Luxusgläser nach venezianischem Vorbild herstellte. Der künstlerische Höhepunkt der Glashütte war am Ende der 1920er und zu Beginn der 1930er-Jahre, als Künstler der Wiener Werkstätte – wie z.B. Josef Hoffmann – für einzelne Entwürfe gewonnen werden konnten.

In Tirol geht die Herstellung von Glas auf das 16. Jahrhundert zurück, als Wolfgang Vitl aus Augsburg 1534 in Hall in Tirol eine erste Glashütte gründete (bestehend bis 1635). Unter Landesfürst Erzherzog Ferdinand II. von Tirol (1570-1596) wurde eine Hofglashütte in Innsbruck begründet, um Prunkgläser nach venezianischem Vorbild für den Hof herzustellen. Nach der Schließung der beiden Produktionsstätten waren die Glashütte in Kramsach (1626-1933) und die am Ende des 18. Jahrhunderts gegründete Glashütte in Hörbrunn bei Hopfgarten im Brixental (bestehend bis 1886) für den Gebrauchsglasbedarf in Tirol verantwortlich.

Ein für die Kramsacher Glashütte charakteristisches Erzeugnis aus dem 18. Jahrhundert sind die so genannten „Nabelflaschen“, die in der Mitte des Gefäßes eine Einbuchtung aufweisen. Diese nabelartige Vertiefung dient der besseren Handhabung der Flasche beim Einschenken und Trinken. Diese Flaschen wurden vor allem zur Aufbewahrung alkoholischer Getränke wie Kirschen-, Zwetschken- oder Birnenschnaps verwendet und haben einen Zinnschraubverschluss. Ein typisches Beispiel aus einer Inventarerfassung in Reith im Alpbachtal ist im Tiroler Kunstkataster dokumentiert: die braune, aus Glas geblasene Schnapsflasche zeigt eine leicht ausgebauchte Form mit beidseitig zum Nabel eingezogener Mitte. Die Wandung ist von Spiral- und Vertikalfalten durchzogen.

Flaschen mit eingeschliffenem Dekor waren zur Biedermeierzeit (um 1830/1840) sehr beliebt. Ein Beispiel der weit verbreiteten kantigen Form mit abgeschrägten Ecken ist eine Schnapsflasche aus farblosem Glas, kurzem Hals und Zinnschraubverschluss. Sie zeigt einen eingeschliffenen Dekor aus Blattzweigen, Blumengirlanden und Blüten. An der Vorderseite ist zwischen zwei Gitterwerkstreifen eine Landschaft mit Gämse dargestellt.

Eine zeitgleich entstandene, zylinderförmige Schnapsflasche mit langem Hals und Zinnschraubverschluss ist mit eingeschliffenen Jagdszenen in aus Blattkränzen gebildeten Medaillons verziert.

Auch Trinksprüche fanden ihren Platz auf solchen Flaschen. Eine leicht konisch zulaufende Weinkaraffe mit langem Hals zeigt eingeschliffenen Rankendekor, zwei Girlanden auf gelben Streifen und unten drei Kreismedaillons mit Ehesinnbildern: links Arbeitsgerät, in der Mitte die Initialen „IF“ und rechts zwei Vögel auf Herzen. Darüber findet sich der Trinkspruch in roter Schreibschrift: „Gott lieben macht Selig/ Wein drinken macht frölich/ Also liebe Gott und drinke Wein/ Dan kanst du Selig und frölich sein.“