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Schule des Sehens – Fotokurse am Arlberg (ab 1959)

Mit dem Bundessportheim in St. Christoph am Arlberg wird in erster Linie die qualifizierte Schilehrerausbildung in Verbindung gebracht. Weniger bekannt ist, dass ab dem Jahr 1959 über mehr als zwei Jahrzehnte jeden Sommer – unter dem Titel „Schule des Sehens“ – Kurse für Hobbyfotografen abgehalten wurden.

Die Kurse wurden von Stefan Kruckenhauser (1905-1988) organisiert, der bis zum Jahr 1972 Leiter des Bundessportheimes war. Die Idee dazu entwickelte Kruckenhauser gemeinsam mit seinem Kollegen und langjährigen Freund Theo Kisselbach, dem Leiter der Leitz-Fotoschule. Ziel der Kurse war es, das Fachwissen der beiden Leica-Fotopioniere interessierten Amateurfotografen praktisch zu vermitteln. Gleichzeitig sollte eine Auslastung des Bundessportheims auch in den Sommermonaten erreicht werden.

Im Fotonachlass Stefan Kruckenhausers im Tiroler Kunstkataster geben rund 4.600 Kleinbildnegative und mehrere Bildmappen mit Vergrößerungen – von den Kursteilnehmer/innen erstellt – einen Einblick in die praktische Fotoarbeit bis hin zur kritischen Diskussion der Ergebnisse.

Den Titel „Schule des Sehens“ versteht Stefan Kruckenhauser programmatisch als erzieherischen Auftrag: „Für gute ‚Bilder‘ aber muß sich der Amateur, heute mehr denn je, um das ‚Bilder-Sehen‘ bemühen“ (aus dem Kursprogramm von 1982). Kruckenhauser versucht mit seinen pädagogischen Fähigkeiten jene „Kameraphilosophie“ praktisch zu vermitteln, die er in seinen bekannten Anleitungsbüchern zur Fotografie („Das Bergbild mit der Leica“, 1938, „Verborgene Schönheit“, 1938) bereits Jahrzehnte davor ausführlich beschrieben hatte.

Darin bestimmen immer wieder drei wesentliche Eckpunkte die fotografische Sicht- und Arbeitsweise Kruckenhausers: die richtige Auswahl des Motivs, das Beherrschen der fotografischen Technik und das Publizieren der Bilder in Buchform. Diese Grundzüge setzt Kruckenhauser – in verdichteter Form eines pädagogischen Leitfadens – dann im Aufbau des Kursprogramms fort. Mit der „Schule des Sehens“, der „Technik der Kleinbildfotografie“ und der „Schlussfertigung der Bilder“ ist jeder Kurs inhaltlich in drei Blöcke gegliedert.

In der „Schule des Sehens“ werden die Kursteilnehmer/innen anhand der zwei Themenbereiche Berglandschaft (Dörfer, Bauwerke, Menschen in den Tälern) und Sportfotografie (Menschen in Bewegung) geschult, die Motive eingehend zu studieren und Licht- und Schattenwirkungen für eine plastische Darstellung richtig zu bewerten. In intensiven Exkursionen in die unmittelbare und nähere Umgebung der Arlbergregion üben die Amateure unter fachkundiger Anleitung das richtige Fotografieren.

Im zweiten Kursabschnitt wird besonderer Wert darauf gelegt, die Zusammenhänge der technischen Vorgänge beim Fotografieren zu verstehen. Im Mittelpunkt steht dabei die Fotoausarbeitung im Labor. Dafür stehen im Bundessportheim gleichzeitig mehrere Dunkelkammern zur Verfügung, damit alle Kursteilnehmer/innen genügend Gelegenheit haben, ihre Filme zu entwickeln und daraus Fotos zu vergrößern.

Die letzten Tage werden hauptsächlich dazu verwendet, aus dem reichhaltigen Bildmaterial, das im Lauf des Kurses entstanden ist, die besten Fotografien auszuwählen und daraus einen Bildband zu gestalten. Ziel ist jedoch kein Fotoalbum im herkömmlichen Sinn, sondern die überlegte Montage der Bilder in einer Mappe nach jenen Gesichtspunkten, die Kruckenhauser schon für die Gestaltung seiner eigenen Fotobildbände angewendet hatte. Auch hier überlässt der Kursleiter nichts dem Zufall, denn er legt eigens Mustermappen an, die als Orientierung dienen sollen.

Damit jeder Kurs unter annähernd gleichen Bedingungen ablaufen kann, wird bereits in den Anmeldeformularen aufgelistet, welche fotografische Ausrüstung notwendig ist (Kleinbildkamera, Teleobjektiv, Stativ, Filter). Und auch während der Ausbildung müssen alle Teilnehmer/innen das gleiche Filmmaterial und die gleichen Chemikalien für das Entwickeln und Vergrößern verwenden, damit unter gleichen Bedingungen Vergleichsmöglichkeiten für die Arbeiten entstehen.

So wurden jeden Sommer – von 1959 bis nachweislich 1982 – zwei bis drei Kurse abgehalten, die rund 14 Tagen dauerten. In den ersten Jahren war auch Theo Kisselbach (Leiter der Leitz-Fotoschule) immer wieder in St. Christoph, um die Weiterbildung der Hobbyfotografen zu begleiten. Parallel dazu fanden auch Spezialkurse für technische Mitarbeiter der Firma Leitz statt, die dazu genutzt wurden, Marktneuheiten der Leica-Kameras und der Objektive zu testen. Nach seiner Pensionierung im Jahr 1972 richtete Stefan Kruckenhauser die Kurse gemeinsam mit seinem Nachfolger als Heimleiter, Franz Hoppichler, aus.