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Nordkettenbahn in Innsbruck – In den Bergen baut der Blick (1928)

Mit der 1928 fertig gestellten Nordkettenbahn, deren architektonische Gestaltung maßgeblich von Franz Baumann (1892-1974) geprägt wurde, war ein neues modernes Wahrzeichen für die Sportstadt Innsbruck entstanden. Die Herausforderungen, die Seilbahnen in technischer Hinsicht zu realisieren, waren komplex. Es bestand aber auch der Anspruch, den Seilbahnstationen ein der gesamten Bauaufgabe ebenbürtiges äußeres Erscheinungsbild zu verleihen. Man legte also Wert darauf, dass die Stationen der Nordkettenbahn nicht nur als reine Funktionsbauten behandelt wurden, sondern dass sie auch einen Bezug zur „Alpenstadt“ Innsbruck aufweisen. Baumann entwickelte ein mehrstufiges Konzept, um seine Architektur der jeweiligen Höhenlage der Seilbahnstation anzugleichen. Aus diesem Grund sind die Stationen Hungerburg, Seegrube und Hafelekar nicht in Form eines „mehrstufigen Modulprogramms“ errichtet worden, sondern auf der Basis individueller Überlegungen zur Topografie des Standorts. Nicht zuletzt verdient auch die Inneneinrichtung der Stationen Aufmerksamkeit. Bis ins kleinste Detail wurde sie von Baumann konzipiert und hielt zum Teil bis heute der intensiven Beanspruchung durch Bergsteiger und Schifahrer stand.

Die Talstation der Nordkettenbahn befindet sich auf einem relativ beengten Grundstück nahe der Endstation der Hungerburgbahn (heute: „Hungerburgbahn-neu“ von Architektin Zaha Hadid) auf 863 Meter Seehöhe. Entlang einer Stützmauer führt eine Treppe zu einem Vorplatz, wo man durch einen runden Bogen die Aufgangstreppe zum Warteraum betreten kann. Anfänglich befanden sich in diesem Raum ein Buffet und an seinem nördlichen Abschluss das WC und Nebenräume. Baumann stattete diesen kleinen Saal mit einer groben Balkendecke, einem Fensterband in Raumlänge und einer ebenso langen Sitzbank aus. Die Verwendung von dunkel gebeiztem Holz trägt nicht nur zur angenehm beruhigenden Ausstrahlung des Raumes bei, sondern wirkt sich auch in akustischer Hinsicht positiv aus. Zwei weitere Bauteile der Talstation beinhalteten den Wagenbahnhof und die Abgangszone. Unsichtbar bleibt in diesem Zusammenhang der 15 Meter tiefe Gewichtsschacht, den Baumann an der Südseite des Gebäudes nur mit einem kleinen Fenster äußerlich kennzeichnete. Von der Seegrube zurückkehrende Fahrgäste verlassen das Gebäude ostseitig über eine Treppe, die hinunter auf den Vorplatz zurückführt.

Die Mittelstation Seegrube liegt auf einer Seehöhe von 1.905 Metern und wurde auf einem Moränenwall errichtet. Der Bau besteht aus zwei Teilen: den Wagenbahnhöfen mit Maschinenhallen für die erste und zweite Sektion der Nordkettenbahn und das Restaurant. Der Besucherabgang wurde an der Westseite der Wagenhalle angelegt. Von dort aus können die Gäste entweder das Gebäude in Richtung zur Freiterrasse verlassen oder im Inneren zum Wagenbahnhof der Hafelekarbahn hinübergehen. Das Restaurant (früher Berghotel) enthält ebenerdig zwei Gasträume, Küche und Wirtschaftsräume. Bei der Innenraumgestaltung spielte Baumann auf das Idiom der Tiroler Stube an – ein Entwurfsgedanke, den er in der „Bergsteigerstube“ durch einen gemauerten und geputzten Ofen, eine umlaufende Bank und Sitznischen vertiefte. Auf der Ebene darüber befinden sich zwei weitere Gasträume mit einer repräsentativeren Raumgestaltung, denn zur Zeit der Entstehung der Bahn wollte man die Bereiche der Hotelgäste von denen der Bergsteiger auch optisch klar trennen.

Die relativ große Fläche der Südfassade des Baukörpers verschwindet zum Teil hinter der Hangkante. Das hat zur Folge, dass das Ausmaß des Bauvolumens vom Tal aus nie zur Gänze auszumachen ist. Beim Verputz wurde ein rauer Kellenwurf angewandt, der sich im Sommer kaum in Kontrast zu seiner Umgebung stellt und im Winter eine farbliche Verbindung mit ihr eingeht.

Die Seilbahnstrecke zur Station Hafelekar in 2.260 Metern Seehöhe wird mit nur einer Gondel geführt. Das Gebäude mit seiner talseitig abgerundeten Fassade ist häufig als ein „architektonisches Wunder“ völliger Durchdringung von Architektur und Topografie bezeichnet worden. Es besteht aus zwei Bauteilen, der eigentlichen Station mit Wagenhalle, Spannraum, Gewichtsschacht und in den Felsen geschremmten Ankerstollen sowie dem Restauranttrakt. Die Fahrgäste betreten das Gebäude eigentlich im Keller, von wo aus sie ins Freie oder über eine Treppe zum Restaurant gelangen können. Parallel zum runden Schwung der oberen Stockwerke lässt Baumann den Weg nach außen ebenfalls im Bogen auslaufen. Auch der Weg zurück zum Gebäude nimmt dann noch einmal die Kreisform auf.

In mehreren Phasen durchgeführte Umbauten führten dazu, dass die Gebäude der Nordkettenbahn und ihre Inneneinrichtungen nicht mehr zur Gänze im Originalzustand sind. Die jüngsten baulichen Veränderungen wurden vom Innsbrucker Architekturbüro Schlögl & Süß realisiert. Ihm ist zu verdanken, dass so manche bauliche „Verunstaltung“ in einen Zustand zurückgeführt wurde, der dem ursprünglichen Konzept entspricht. Für die technische Modernisierung der Bahn mussten aber auch Veränderungen in Kauf genommen werden, z.B. im Bereich der Wartehalle in der Mittelstation Seegrube. Die Neugestaltungen dienen aber nicht nur der Entwicklung, sondern vor allem der Erhaltung des Architekturjuwels.

Tipp:
Für eine Besichtigung der Stationen Hungerburg, Seegrube oder Hafelekar lohnt sich eine Auffahrt vom Stadtzentrum aus. Die Einstiegstelle befindet sich beim Congress Innsbruck, von wo aus man mit der von der britischen Stararchitektin irakischer Herkunft Zaha Hadid entworfenen und 2007 fertig gestellten Standseilbahn bis zur Endstation Hungerburg fährt. Dort wechselt man in die Seilschwebebahn von Architekt Franz Baumann über. Informationen: www.nordpark.at.