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Moreskentänzer am Goldenen Dachl in Innsbruck – ein fürstlich Kurzweil  (um 1500)

Das Wahrzeichen von Innsbruck ist das „Goldene Dachl“, dessen Name sich von den 2.657 vergoldeten Kupferschindeln ableitet, die seinen oberen Abschluss bilden. Der Bau dieses Prunkerkers geht auf Kaiser Maximilian I. (Wiener Neustadt 1459-1519 Wels) zurück, der im Sinne einer „fürstlich Kurzweil“ gerne feierte und dabei von sich behauptete, „dass er auch der frölichist kunig gewesen“ sei. Betrachtet man das Goldene Dachl genauer, so können Darstellungen ausgemacht werden, die mit Maximilians Vorliebe zu ausgelassenen Festen in Verbindung gebracht werden können: An den Brüstungen des Balkons befinden sich mehrere Sandsteinreliefs, die Tänzer zeigen. Dabei handelt es sich um akrobatisch agierende Moreskentänzer, deren Tanzweise nach wie vor Rätsel aufgibt: Lange Zeit herrschte die Auffassung, die Tänzer seien aufgrund des Begriffes „Moresken“ spanische Mauren (Muslime), die einen spezifischen folkloristischen Tanz entwickelt hätten. Daneben bildete sich die Meinung, die Moresken hätten etwas mit dem polnischen Nationaltanz „Mazurka“ zu tun. Aber auch diese Annahme ist inzwischen überholt und man tendiert nun eher dazu, die Wurzeln des Moreskentanzes im süditalienischen Neapel zu suchen.

Anhand der bildlichen Darstellungen am Goldenen Dachl erhält man eine Vorstellung vom Ablauf eines Moreskentanzes und den dafür verwendeten Kostümen. Es sind ausschließlich männliche Tänzer abgebildet, die auffällige Verrenkungen vollziehen. Unter den „Mitwirkenden“ auf der Tanzfläche sind auch kleine Hunde zu sehen. Demzufolge wurden den Tänzern unterschiedliche Rollen zugeteilt, die etwas Unterhaltsam-Exotisches und etwas Erotisches vermitteln sollten. Der Tanz setzte sich aus einer Aneinanderreihung von grotesken Sprüngen, eigenwillig akrobatisch anmutenden Köperhaltungen und ausdrucksstarken Grimassen zusammen. Es ist anzunehmen, dass man im Unterschied zu den meisten damals gängigen Tänzen keine geregelten Bewegungsabläufe kannte und es somit den Darstellern erlaubt war, sich frei und möglichst auffallend zu bewegen – der Phantasie war also keine Grenze gesetzt. Es waren offenbar nur Lust zur Interpretation und persönliche Kreativität gefragt, was den Schluss nahe legt, dass die beste Darbietung mit einem Preis honoriert wurde.

Einen Hinweis darauf gibt das linke Mittelrelief auf der Brüstung des Goldenen Dachls, auf dem Maria von Burgund mit einer Kugel abgebildet ist. Vielleicht stellt die (vergoldete?) Kugel den Preis für den besten Tänzer dar. Zugleich gehen die meisten Forscher heute davon aus, dass im Rahmen eines Moreskentanzes um die Gunst der Dame gebuhlt wurde, was in Zusammenhang mit der Kugel in der Hand der ersten Gattin Maximilians ebenfalls stimmig wäre.

Bei den dargestellten Moreskentänzern sind die fremdartig wirkenden Kostüme auffallend, die nichts mit der Mode auf der iberischen Halbinsel in der Zeit um 1500 gemein haben. Schon aus diesem Grund ist die Behauptung irreführend, beim Moreskentanz handle es sich um einen charakteristischen spanischen Tanz. Tatsächlich haben neuere Untersuchungen ergeben, dass der Sprungtanz „alla moresca“ bereits um 1400 am Hof von Neapel bekannt war. Dieser Gruppentanz wurde von fahrenden Künstlern dargeboten, die am Hof von Neapel Station machten, weil hier vielleicht größere Offenheit für Fremdländisches oder Exotisches herrschte als andernorts. Denn Neapel war vor allem aufgrund der Seefahrt seit alters her ein Schmelztiegel verschiedener Lebensformen und Kulturen. So mischten sich hier griechische, afrikanische, normannische, muslimische und jüdische Einflüsse auch zu neuen Formen der Unterhaltung. Maximilian von Habsburg, der spätere Kaiser Maximilian I., scheint den Moreskentanz nicht in Süditalien, sondern in Konstanz kennen gelernt zu haben. Dort wurde er ihm beim Reichstag von 1492, an dem Maximilian noch in seiner Funktion als römisch-deutscher König teilnahm, als besonderes Rahmenprogramm präsentiert.

Zu den tänzerischen Attraktionen der Moresken gehörte zudem die charakteristische Kostümierung mit bunten, eng anliegenden Kleidern. Manche der Darsteller trugen auch auffallende Kopfbedeckungen. Wie an den Reliefs des Goldenen Dachls weiters zu sehen ist, waren an den Armen und Beinen der Tänzer Glöckchen und Schellen angebracht. Sie hatten die Aufgabe, den Takt des Tanzes aufzunehmen bzw. akustisch zu verstärken.

Ungeklärt ist aber bis heute die Frage: Wie mag die Musik geklungen haben, zu der die Moresken tanzten?