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Miniatur-Ostergrab – ein Heiliges Grab zur privaten Andacht (um 1750)

In vielen Tiroler Kirchen war es besonders im 17. und 18. Jahrhundert Brauch, in der Karwoche ein Heiliges Grab aufzubauen. Mit der theatralischen Inszenierung wollte man den Gläubigen den letzten Akt der Leidensgeschichte Jesu in effektvoller Weise näher bringen. Pompös bemalte Kulissen, beleuchtete Osterkugeln, frische Blumengestecke usw. wurden ganz im Sinne barocker Dramaturgie phantasievoll drapiert. Nicht selten füllten die Heiligen Gräber den gesamten Altarraum einer Kirche, so z.B. in Schönberg oder in Nesselwängle, um nur zwei der vielen Beispiele von Heiligen Gräbern zu nennen, die – liebevoll gepflegt – auch heute noch aufstellt werden.

Unter den Ostergräbern gibt es aber auch solche, die das Passionsgeschehen in stark verkleinerter Form wiedergeben und daher für den privaten Gebrauch, z.B. in Hauskapellen, bestimmt waren. Ein solches Miniatur-Ostergrab aus der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts befindet sich in der Umgebung von Hall in Tirol.

Da der überwiegenden Mehrzahl der Heiligen Gräber viel Dramatik anhaftet und ihre optische Gestaltung eindeutige Bezüge zu den Kulissen auf Theaterbühnen aufweist, ist ihre Herkunft aus dem barocken Passions-Schauspiel unverkennbar – egal, ob es sich dabei um ein großes oder kleines Ostergrab handelt. Das Beispiel eines Ostergrabs aus der Umgebung von Hall in Tirol hat die Maße: Höhe 85 cm, Breite 122 cm und Tiefe 42 cm. Es ist aus Holz gefertigt und wurde mit Temperafarben bemalt. Das Ostergrab besteht aus vier Prospekten, die sich nach hinten perspektivisch verjüngen. Dadurch entsteht ein mit einem Bühnenbild vergleichbarer Raum im Raum.

Die vorderen Kulissen haben die Form von Bögen, die seitlich auf Marmorsäulen ruhen. Zwischen den Säulenpaaren befinden sich biblische Figuren aus dem Alten Testament mit Schrifttafeln. Auf diesen sind Verszeilen aus dem Alten Testament bzw. Stellen aus Psalmen wiedergegeben, die auf das Passionsgeschehen des Neuen Testaments hinweisen. Moses und König David sind auf dem ersten Kulissenbogen festgehalten, die Propheten Jesaja und Jeremias auf dem zweiten. Die Bögen über den Figuren sind reich geschmückt. In der Mitte des ersten Bogens ist Gottvater, auf einer Wolkenbank sitzend, mit Engeln und dem Heiligen Geist dargestellt. Die seitlichen Flächen wurden mit einem Sternornament verziert. Blumengirlanden und eine Kartusche mit der Inschrift „Sein Grab wird herrlich sein“ dekorieren den zweiten Bogen. Die dritte Kulisse weist dieselbe Säulen- und Bogenarchitektur auf, nur die Flächen zwischen den Säulen wurden nicht mehr mit biblischen Gestalten, sondern mit Fenstern ausgefüllt. Am Scheitel dieses Bogens ist das Schweißtuch der Veronika mit dem wahren Abdruck des Antlitzes Christi abgebildet. In der Mitte des vierten Prospekts befinden sich zwei Engel, die das Kreuz Christi feierlich in die Höhe halten. Den krönenden Abschluss der Inszenierung bildet ein reizvoll ausgestalteter Paradiesgarten, über dem – nach der Auferstehungsfeier in der Osternacht – der auferstandene Christus in einem Strahlenkranz schwebt. Am Karfreitag und Karsamstag wird diese Szene von einem Christus im Grab verdeckt.

Das Ostergrab ist in Bezug auf seine illusionistische und detailreich ausgeschmückte Scheinarchitektur noch ganz der Tradition des Barocktheaters verhaftet, doch die Farbgebung verweist auf eine zeitliche Herkunft aus dem späten Rokoko.

Tipp:
Einen guten Überblick über Ostergräber und das mit ihnen in Zusammenhang stehende Brauchtum bietet www.tibs.at