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Krankensalbung, letzte Ölung – Sterberituale auf Gemälden im Unterinntal (um 1800)

Ein großer Teil der volkstümlichen kirchlichen Kunst in Tirol ist thematisch an den wichtigen Stationen des Lebens orientiert: Votivtafeln berichten z.B. über die Rettung nach Unfällen oder über die Heilung von Kranken, andere Werke beziehen sich auf festliche Ereignisse oder bedeutende Wendepunkte wie Taufe, Hochzeit oder Tod. In einer Kirche im Tiroler Unterland befindet sich ein Gemälde, das einen Kranken zeigt, der das Sakrament der Krankensalbung empfängt. Bei dem im Bett liegenden Mann steht ein Priester, flankiert von dessen Frau und seinen betenden Kindern. Am Kopfende der Schlafstätte wurden der Tod in Form eines Skeletts und der Schutzengel des Kranken dargestellt.

Die Abbildung ist nicht nur vom eigentlichen Akt der Krankensalbung geprägt, sondern auch vom Kampf des Guten gegen das Böse. Am oberen Bildrand schweben in einer hell erleuchteten Wolke Jesus und Maria als Fürbitter für die Seele des Verstorbenen im Jenseits. Darunter ist der Erzengel Michael als Bezwinger des Satans und Richter am Tag des Jüngsten Gerichts wiedergegeben. Es scheint, als eile er mit wehenden Gewändern vom Himmel herab, um dem Kranken beizustehen. Drei – die Verfehlungen des Kranken symbolisierende – Teufel wurden bereits unter das Bett zurückgedrängt, doch ein vierter liest aus dem Sündenregister die Untaten des Kranken vor.

Das im Volksmund auch als „Letzte Ölung“ – seltener als „Ältestendienst“ – bezeichnete Sakrament der Krankensalbung dient zur Stärkung und Ermutigung von Kranken und soll nach dem Sakrament der Beichte gespendet werden. In theologischer Hinsicht ist es mit den Krankenölungen und -heilungen Jesu ebenso in Verbindung zu bringen wie mit einer Stelle im Jakobusbrief, wo es heißt: „Ist einer von euch krank? Dann rufe er die Ältesten der Gemeinde zu sich; sie sollen Gebete über ihn sprechen und ihn im Namen des Herrn mit Öl salben. Das gläubige Gebet wird den Kranken retten, und der Herr wird ihn aufrichten; wenn er Sünden begangen hat, werden sie ihm vergeben.“ (Jak 5,14-15)

Vor diesem religiösen Hintergrund wurde die volkstümliche Darstellung der Sterbestunde nicht zuletzt mit dem Ziel geschaffen, den Widerstreit zwischen Himmel und Hölle zu thematisieren. Denn während die Familie, der Priester und der ebenfalls versammelte „himmlische Beistand“ für die Vergebung der Sünden des Kranken stehen, unternehmen die dunklen Mächte der Unterwelt alles, um den Sterbenden – plakativ ausgedrückt – in die Hölle zu bringen.

Das Gemälde entstand in der Zeit um 1800 und gibt Auskunft über die Ideenwelt der damaligen Zeit: Der Sterbende wurde in einer bäuerlichen Stube dargestellt. Das ist ein Hinweis darauf, dass es an der Wende zum 19. Jahrhundert noch zu keiner Verdrängung des Todes aus der „Welt der Lebenden“ gekommen war. Denn die Stube früherer Zeiten war eine Art Multifunktionsraum, in dem ein Großteil der häuslichen Arbeit abgewickelt und auch die Freizeit verbracht wurde. Die Pflege von Kranken und das Sterben fanden also in der Mitte des Lebens statt.

Parallel dazu ist das Gemälde mit dem Glauben an das Fegefeuer in Zusammenhang zu bringen. Als gedankliches Konzept entstand das Fegefeuer in Verbindung mit der Vorstellung, dass mit dem physischen Tod „noch nicht alles entschieden“ sei. Die das ganze Leben überschattende Furcht vor Bestrafung wurde gemildert durch die Möglichkeit einer nachträglichen Läuterung, einer Reinwaschung von Sünden.

An der Darstellung der Krankensalbung ist diese Haltung festzustellen. Die Abbildung wurde als Versicherung geschaffen, dass die Angst des Sterbenden vor einer „Bestrafung“ im Jenseits dann unbegründet ist, wenn er trotz aller Schuld im weltlichen Leben Mut und Stärke im Glauben und in den heiligen Sakramenten sucht. Daher sprach der Priester noch in der Entstehungszeit des Gemäldes bei Krankensalbungen folgende Worte: „Durch diese heilige Salbung und seine mildreichste Barmherzigkeit lasse dir der Herr nach, was du durch das Sehen (Hören, Riechen, Schmecken und Reden, Berühren, Gehen) gesündigt hast. Amen.“ (aus dem tridentinischen Ritus, seit 1570)