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Glasfenster der Evangelischen Christuskirche in Innsbruck (1913)

In Innsbruck entstanden im Historismus des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts mehrere Sakralbauten, darunter die Pfarrkirche St. Nikolaus (1882-1884), die Evangelische Christuskirche im Saggen (1905-1906) und die neue Pfarrkirche Hötting (1909-1911). Allen diesen Bauten ist das Anliegen gemeinsam, Baukörper und Innenausstattung in Anlehnung an historische Stilrichtungen – vor allem der Romanik und Gotik – zu gestalten und so einheitlich wie möglich auszustatten. In allen diesen Kirchen wurde auf die Schaffung farbiger Glasfenster Wert gelegt. Das steht damit in Zusammenhang, dass sich in Innsbruck mit der Tiroler Glasmalerei- und Mosaikanstalt seit 1861 ein international operierendes Unternehmen für die Herstellung von farbigen Glasfenstern herausgebildet hatte, dessen künstlerische Leistungen auch in den einheimischen Kirchenneubauten präsent sein sollten.

Für die Evangelische Christuskirche entstanden zwei Zyklen von Glasfenstern, einer im Kirchenschiff mit Szenen aus der Bibel und der Geschichte des Protestantismus, und einer in der Taufkapelle mit Taufszenen und Ornamentfenstern im Jugendstil. Eine weitere Serie von zeitgleichen Glasfenstern mit Porträts der Religionsgründer Luther, Zwingli und Melanchthon stammt von der in München ansässigen Firma Zettler.

Die Evangelische Christuskirche befindet sich im Zwickel zweier Straßenzüge im Innsbrucker Stadtteil Saggen, der Elisabethstraße und der Richard-Wagner-Straße. Aufgrund der sich vor der Kirche ergebenden Platzsituation war es nahe liegend, die sakrale Anlage mit einem straßenseitig angeordneten Turm zu akzentuieren. Der Innenraum besteht aus einer Vorhalle, an die ein einschiffiges Langhaus anschließt. Nordseitig wurde an das Langhaus eine kleine Taufkapelle angesetzt.

Die Innenräume werden von unterschiedlichen Gewölbeformen (Stichkappengewölben, Tonnengewölben etc.) abgeschlossen. Mit Ausnahme der von der Tiroler Glasmalerei- und Mosaikanstalt geschaffenen farbigen Glasfenster ist die Inneneinrichtung der Evangelischen Kirche im Stil sehr sachlich gehalten.

Mit dem in München ausgebildeten britischen Maler Bernard Rice wurde ein Künstler für die Tiroler Glasmalereianstalt tätig, der auch bei der Gestaltung eines Teiles der Glasfenster in der Evangelischen Christuskirche maßgeblich mitwirkte. Die von ihm geschaffenen Vorlagen setzen sich mit der Geschichte des Protestantismus und mit wichtigen Anhängern der evangelischen Religion auseinander. Z.B. ist eines der Fenster dem schwedischen König Gustav Adolf gewidmet. Die Aufschrift „Gustav Adolf im Gebet vor der letzten Schlacht bei Lützen“ bezieht sich auf den Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) und die für Schweden siegreiche Schlacht bei Lützen 1632, in welcher der in voller Rüstung in majestätischer Haltung dargestellte Schwedenkönig aber fiel. Auf dem Glasfenster huldigen ihm noch vor den Kampfhandlungen seine Gefolgsleute mit der Parole: „Um der Brüder willen!“

Ein weiteres Fenster befasst sich mit einem hochmusikalischen Vertreter des Protestantismus: Johann Sebastian Bach (1685-1750), der beim Orgelspielen abgebildet wurde. Über ihm schwebt effektvoll ein Engel auf einer Wolkenbank, der ein Schriftband mit den Worten „Singt dem Herrn ein neues Lied“ trägt.

Besondere Bedeutung für Tirol genießt aber das Glasfenster, das sich mit der Vertreibung der Protestanten aus dem Zillertal beschäftigt. Die auch als „Zillertaler Inklinanten“ bezeichnete Bevölkerungsgruppe musste 1837 aus religiösen Gründen aus dem Zillertal auswandern und wurde im preußischen Riesengebirge neu angesiedelt. Der Begriff „Inklinanten“ leitet sich von lat. „inclinare“ für „neigen“ ab. Es handelte sich um eine Gemeinschaft von Geheimprotestanten des so genannten Augsburger Bekenntnisses, deren Nachkommen nach dem Zweiten Weltkrieg 1945 erneut vertrieben und zerstreut wurden. Die Zillertaler Protestanten sind in ihren einfachen Trachten und mit ihren wenigen Habseligkeiten bei ihrem Fußmarsch aus dem Zillertal festgehalten. Bernard Rice war es ein Anliegen, im Hintergrund des Glasfensters sichtbar zu machen, wie sich die kleine, von Wehmut gekennzeichnete Menschengruppe von den Tiroler Bergen entfernt.