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Fresken in der Nikolauskirche in Matrei in Osttirol – irdisches Paradies und Himmlisches Jerusalem  (ab 1200)

Auf einem stark ansteigenden Hang am Südrand des Matreier Talkessels im Weiler Ganz gelegen, befindet sich eines der schönsten Kleinodien Tirols: Die Filialkirche zum hl. Nikolaus mit ihren romanischen Fresken aus dem 13. Jahrhundert.

Schon die Architektur der Kirche ist einmalig in Tirol, weil sie auf der Seite ihres Chores über zwei übereinander gebaute, quadratische Räume verfügt, die heute als Nikolaus- bzw. Georgs-Kapelle bezeichnet werden. Über den wahrscheinlich aus dem späten 12. Jahrhundert stammenden „Altarräumen“ erhebt sich ein mächtiger Chorturm, der dem Kirchlein sein markantes äußeres Erscheinungsbild verleiht. Im Inneren der Kirche werden die Kapellen durch zwei seitlich angefügte Treppen miteinander verbunden, was ebenfalls eine besondere Raumwirkung erzeugt.

Sowohl die Decke der oben liegenden Georgs- als auch die der unten befindlichen Nikolauskapelle sind mit reichem Freskenschmuck überzogen. Man nimmt zwar an, dass die Wandmalereien von zwei unterschiedlichen Künstlern geschaffen wurden, dennoch entsprechen sie sich in ikonografischer Hinsicht: Im Unterchor wurde das irdische Paradies mit der Erschaffung der Welt und dem Sündenfall abgebildet, im Oberchor ist das himmlische Jerusalem zu sehen.

Die Fresken der Nikolauskirche in Matrei in Osttirol haben eine bewegte Geschichte. Sie dürften bis 1778 sichtbar gewesen sein, wurden aber nach einem Brand in der Kirche übertüncht. Nach und nach kamen einzelne Stellen wieder zum Vorschein und wurden im späten 19. Jahrhundert endgültig freigelegt, aber unfachmännisch konserviert und ergänzt. Daher war es erst im 20. Jahrhundert, auch vor dem Hintergrund eines veränderten Bewusstseins über Erhaltung und Restaurierung von mittelalterlichen Fresken, so weit, dass die Wandmalereien in einen Erhaltungszustand zurückgeführt wurden, der dem ursprünglichen Bestand am ehesten entspricht.

Die Fresken sind ein Zeugnis für das Zusammenwirken verschiedener stilistischer Einflüsse, die einerseits vom Dom im kärntnerischen Gurk, andererseits von der byzantinischen Kunst- bzw. Buchmalerei herkommen dürften. Über lange Zeit hinweg war sich die Forschung über die Entstehungszeit der Bilder uneinig. Manche Wissenschaftler datierten die Fresken in die Zeit um 1200, andere – und das ist zugleich der jüngste Forschungsstand – tendieren zu einer zeitlichen Einordnung zwischen 1265 und 1270 und somit in eine späte Phase des so genannten Zackenstils. Auch nimmt man an, dass die Malereien des oberen Chorraums von einem Wanderkünstler aus der Gegend von Padua geschaffen worden sein dürften, wohingegen die des unteren von einem einheimischen Maler stammen könnten.

Im oberen Chor ist eine sonnenartige Scheibe zu sehen. In ihrem Zentrum ist Christus als Weltenrichter dargestellt. Um ihn herum sind die zwölf Apostel und die vier Evangelisten gruppiert. Ein mit gemalten Edelsteinen verzierter Mauerring umgibt die Figuren. Dabei handelt es sich um eine Abbildung des Himmlischen Jerusalems. Das Himmlische oder auch so genannte Neue Jerusalem geht auf eine Vision zurück, die im Johannes-Evangelium festgehalten wurde (Buch der Offenbarung, Kapitel 21 und 22). In dieser visionären Erscheinung geht es um den Kampf zwischen Gott und dem Teufel, an dessen apokalyptischen Ende eine neue Stadt entstehen wird, das Himmlische oder Neue Jerusalem. In den Zwickeln des Gewölbes wurden die vier Elemente Erde, Wasser, Feuer und Luft wiedergegeben. Die vier Elemente tragen die Himmelsstadt. An den Wänden folgen Prophetengestalten, dann eine Reihe männlicher und weiblicher Heiligenfiguren, die aufgrund ihrer Beschriftung teilweise identifizierbar sind.

In Ergänzung zum oberen Chor wurde im unteren das irdische Paradies festgehalten. Die Wandmalereien zeigen die Schöpfung, den Sündenfall, die Vertreibung aus dem Paradies und die seltene Darstellung von Adam und Eva bei der Arbeit. An der Nord- und Ostwand dieses Chorraumes befinden sich Reste von Szenen aus der Nikolaus-Legende. Die Haltung der Menschen ist natürlich bewegt und die zur Mitte ansteigende Arkadenarchitektur relativ realistisch. Im Unterschied dazu wurden die Fresken des Oberchores in der feierlichen, etwas statischen Art byzantinischer Kunst gemalt. Elemente wie die Anordnung von bunt leuchtenden Farbflächen, die grünlichen Gesichter der Apostelfiguren in den gelben, wie Sonnen geformten Heiligenscheinen und die antikisierenden Figuren der vier Elemente weisen darauf hin, dass der Schöpfer dieser Wandmalereien mit den von Byzanz über Venedig in den Norden gelangten Malstilen vertraut war.