Bezirk: Lienz Bezirk: Innsbruck-Land Bezirk: Schwaz Bezirk: Imst Bezirk: Landeck Bezirk: Reutte Bezirk: Kitzbühel Bezirk: Kufstein Bezirk: Innsbruck

Fassadenmalerei am Zeillerhaus in Reutte – Lüftlmalerei im Außerfern (um 1770)

Nicht nur, weil seine früheren Besitzer einer der bekanntesten Malerdynastien Tirols angehörten, zählt das Zeillerhaus in Reutte zu den am schönsten verzierten des Landes Tirol. Die vor allem in Oberbayern wie auch im Außerfern gebräuchliche malerische Dekoration von Häuserfassaden wird „Lüftlmalerei“ genannt. Entgegen vielen Meinungen kann sie aber nicht als reine Volkskunst angesehen werden, denn ihre Wurzeln liegen im städtischen Bereich. Seit dem Mittelalter ist die Fassadenmalerei in manchen Städten des italienischen und deutschsprachigen Raumes eine übliche Art der Außengestaltung (vgl. Trautsonhaus, Innsbruck, Herzog-Friedrich-Straße). Zunächst wurde die „italienische Mode“ der Fassadenmalerei über Kupferstiche verbreitet, ab der Barockzeit richtete man sich aber mehr nach französischen Drucken. Eine Sonderstellung nahm damals das Außerfern ein, zumal hier Vorlagen aus Augsburg zum Zug kamen, die über Handelsverbindungen bzw. infolge der Zugehörigkeit zum Bistum Augsburg (bis 1816) in die Region gelangten.

Das Zeillerhaus wurde um 1770 vom bedeutenden Barockmaler Johann Jakob Zeiller (1708-1783) bemalt, der hier seine Werkstatt hatte.

Heute ist der Begriff „Lüftlmalerei“ als Fachbegriff etabliert, dennoch herrscht Uneinigkeit über seine Herkunft. Manche KunsthistorikerInnen nehmen an, die Bezeichnung gehe auf den Maler Franz Seraph Zwinck (1748-1792) aus dem bayerischen Oberammergau zurück, der den „Lüftlhof“ besaß und dekorierte. Andere Fachleute gehen davon aus, dass der Name von der „Luftigkeit des Gerüstes“ herrührt, von dem aus die Künstler mit raschem Pinselstrich auf den frisch aufgetragenen Kalkverputz malten.

Bei dem seit mindestens zwei Generationen in Familienbesitz befindlichen Zeillerhaus in Reutte handelt es sich um einen lang gestreckten Bau, der in seinem Kern aus dem 16. Jahrhundert stammt. Die Fassadenmalereien von Johann Jakob Zeiller bestehen aus einem zentralen Mariahilf-Bild am Erker unterhalb des Erkerfensters, das von Putti flankiert wird. Über dem Erkerfenster wurden Gottvater und der Heilige Geist abgebildet. An den Seitenwänden des Erkers sind weitere Putti wiedergegeben, wobei das engelsgestaltige Kind links mit einem Windrad und das rechts mit einem Vogelkäfig „ausgestattet“ wurde. Weitere Putti können an den Wandfeldern seitlich des Erkers besichtigt werden: Ein Putto hält die Gesetzestafeln mit den Zehn Geboten, ein anderer trägt das Kreuz Christi und einen Kelch. In der Giebelzone ist ein Pfau dargestellt. Neben dieser figurenreichen Verzierung fallen aber die besonders detailreich ausgeführten Rocaillen auf, die Fenster und Türen rahmen.

Die Architektur des Gebäudes wird durch eine besondere Art der Architekturmalerei betont. Die Ecken der Hauptfassade sind durch Pilastermotive hervorgehoben, die vom Straßenniveau bis zu einem – ebenfalls aufgemalten – Gesims reichen. Der Übergang zwischen Pilaster und Gesims ist mit Engelhermen und Ornamenten ebenfalls reich verziert.

Weitaus sparsamer, aber nichtsdestoweniger einprägsam sind die Malereien an der Seitenfassade. Sie setzen sich lediglich aus einem Affen, einem Affenpaar, einem auf einem Stab sitzenden Papagei und einer Katze zusammen. Zur Entstehungszeit der „Lüftlmalereien“ am Zeillerhaus erfreute sich diese Art von „Exotismus“ bei Künstlern und Publikum großer Beliebtheit.

Manche Mitglieder der berühmten Zeiller-Familie hielten sich aufgrund ihres Berufes als Freskanten zum Teil Jahrzehnte lang fern der Heimat auf und kehrten erst im Alter ins Außerfern zurück. Trotz ihres hohen Bekanntheitsgrades schufen sie aber nicht nur Werke für Kirchen, sondern konnten selbstverständlich auch mit der Bemalung der Außenfassaden von Wohnhäusern beauftragt werden.

Die Besonderheit der Dekorationen am eigenen Wohn- und Werkstattgebäude der Familie Zeiller besteht darin, dass Johann Jakob Zeiller nicht nur traditionelle religiöse Motive abbildete, sondern sie auf eine besonders verspielte Weise mit profanen Details und ornamentalen Mustern kombinierte.