Architektur- und Kunstfreunde können in der Mandelsbergerstraße im Westen von Innsbruck mancherlei Sehenswertes finden: In ihrem nordwestlichen Bereich Wohnhäuser aus der Zeit um 1900, die teilweise mit Jugendstilornamenten verziert wurden und somit an Bauten des prominenten Wiener Architekten Otto Wagner erinnern. An einer weiter südöstlich gelegenen Stelle des Straßenzuges befindet sich ein herausragendes Beispiel des sozialen Wohnbaus der klassischen Moderne, der von Theodor Prachensky und Jakob Albert gestaltete Mandelsbergerblock (1927-1929). Dem großen Komplex gegenüber liegt ein Bau, der von Willi Stigler 1938/1939 ursprünglich als Doppel-Volksschule geplant wurde. Die Fertigstellung dieser Gebäudegruppe verzögerte sich aber durch den Zweiten Weltkrieg. Nach 1945 wurde sie der französischen Besatzung als Quartier zugeteilt. Aus diesem Grund war es erst ab 1956 möglich, den Bau als Schule zu nützen - nun aber als Landesberufsschule (heute Tiroler Fachberufsschule), was auch an seinem Äußeren zur Darstellung kommen sollte.
Der von Willi Stigler (1903-1976) konzipierte Bau der Doppel-Volksschule in der Mandelsbergerstraße mit einem Bauteil für Mädchen und einem für Buben gehört zu den Baudenkmälern der Zwischenkriegszeit, die bisher von der Öffentlichkeit wenig wahrgenommen wurden. Wahrscheinlich hängt das damit zusammen, dass das Gebäude nach dem Abzug der französischen Besatzung 1955/1956 umfassend saniert und den Bedürfnissen einer Berufsschule angepasst werden musste. Bei der Renovierung wirkten viele Lehrer und Schüler mit, was die Baukosten wesentlich reduzierte (Planung: Stadtbauamt Innsbruck, Ing. Thaler und Kluckner).
Die Anlage setzt sich aus drei Flügeln zusammen, wobei schon Stigler den zentralen Eingangsbereich von der Straße abrückte und im Hintergrund einer Grünfläche platzierte. Er wollte die Eingänge aus Sicherheitsgründen von der Straße absetzen. Der kleine Park entstand aber wohl auch in Verbindung mit dem Anliegen, den linearen Verlauf des Straßenraums durch einen Ruhebereich zu unterbrechen und qualitativ aufzuwerten. Darauf verweist der
Laubengang am Ende der Grünfläche, von dem seitlich die Zugänge zu den Schulen ausgehen. Stilistisch gesehen ist der Laubengang mit den zum Platz geöffneten
Arkaden hier als ein Gestaltungsmittel eingefügt worden, um den Platz mit einer Art Übergangszone abzuschließen. Sie dient dazu, die Schüler von der Straße herkommend über einen halboffenen Bereich in das Innere des Gebäudes zu führen. Der Bauteil kann aber auch als "städtisch-alpine Note" - quasi in Anlehnung an die Lauben in der Innsbrucker Altstadt - betrachtet werden.
Da die Schuleingänge an den Seiten des nach Nordosten offenen Laubengangs dennoch ein wenig versteckt liegen, wollte man diesen Bereich mit einem optischen Signal kennzeichnen. Das Stadtbauamt beauftragte Fritz Berger (1916-2002) mit der künstlerischen Gestaltung. Der vor allem als Maler, Graphiker und Bühnenbildner bekannte Berger war auch mit der Schaffung des großen
Wandmosaiks an der Innenwand des rechten Gebäudeflügels betraut. Da es sich nun aber um die Umsetzung eines
Kunst-am-Bau-Projekts in den Ausmaßen von 22 mal 6 Metern handelte, entschloss er sich zu einer Zusammenarbeit mit dem Bildhauer Emmerich Kerle (geb. 1916).
Beim Entwurf des Wandbildes waren die Künstler mit dem Problem konfrontiert, dass aufgrund der
Pfeiler der
Arkaden eine Betrachtung des gesamten Werkes nicht möglich war. Das führte zum Entschluss, die Darstellung in Abschnitte zu unterteilen. Im Zentrum der Komposition steht die Landeshauptstadt mit ihren Türmen. Auf der rechten Seite sind die so genannten Reichtümer Tirols, z.B. die Elektroindustrie, das Metallgewerbe u.s.w. und auf der linken Seite das Schloss Landeck und die Burgruine Kronburg umgeben von der Tiroler Bergwelt abgebildet. In den Bildablauf wurden mit kräftigen Farben ausgemalte Felder eingefügt, in welche die figuralen Reliefs von Emmerich Kerle integriert wurden. Die aus
Edelstuck geformten Figuren symbolisieren die Gewerbe, die zur Zeit der Entstehung der Reliefs in der Schule unterrichtet wurden, sie "arbeiten" also als Maler, Maurer, Keramiker, Bodenleger, Schneider, Fotograf etc.
Für die Ausarbeitung des Wandbildes wählten Fritz Berger und Emmerich Kerle helle, kraftvolle Farben. Sie bedienten sich dieser Art der Farbgebung, um den Laubengang aufzuhellen, zugleich verraten sie damit aber auch ihre künstlerische Herkunft aus dem französischen
Fauvismus. Diese Kunstströmung, die unter dem Einfluss des
Institut Français nach Tirol gebracht wurde, war zwar schon am Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden, hatte aber in der heimischen Malerei erst in der der Nachkriegsära eine größere Nachwirkung.
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