Im Spätmittelalter stieg in Tirol der Warenverkehr so an, dass eine straffe Organisation des Transportwesens notwendig wurde. Z.B. entstanden entlang der Routen Fuhrmannsgasthöfe, die sich auf die Beherbergung der Fuhrleute und die Betreuung von Pferden und Wagen spezialisierten. In Pettnau hat sich ein solcher Gasthof erhalten. Heute wird das historische Gebäude u.a. als Gemeindeamt genützt, ein Teil der Fresken an seiner Front aus der Zeit um 1780 zeugt jedoch von seiner einstigen Bedeutung als Wirtshaus an einem wichtigen Transportweg. Über dem Eingangsportal ist eine Darstellung der Maria mit Kind zu sehen.
Zwischen die mit Rokoko-Ornamenten reich verzierten Fenster wurden eine Sonnenuhr sowie ein effektvoll gestalteter hl. Christophorus und ein hl. Florian gesetzt. Besonders interessant sind aber die Malereien zwischen den Geschossen, die einen Warentransport wiedergeben. Am Beginn des Zuges steht ein Wirt, der aus einem Krug dem voraus reitenden Anführer ein erfrischendes Getränk anbietet. Dahinter folgt ein von vier Pferden gezogener Wagen. Die auf dem Fuhrwerk befindlichen Güter bedeckt ein reich dekoriertes Tuch. Den Abschluss der Kolonne bildet ein Zug von sechs schwer beladenen Saumtieren mit zwei Betreuern.
Die zwischen Zirl und Telfs liegende Gemeinde Pettnau besteht aus einer Reihe von Weilern (= Ortsteilen), die sich an einem wichtigen Frachtweg durch das Inntal bildeten. Die lang gestreckte Siedlung ist an einer Stelle entstanden, an der auch eine Fähre den Inn querte. Die erste Nennung der Pfarre erfolgte schon 1090, was das hohe Alter des Ortes und seine bedeutende wirtschaftsgeografische Position unterstreicht.
Entlang der Ost-West-Verbindung durch das Inntal wurde das im Salzkammergut und in Hall in Tirol gewonnene Salz über den Arlberg transportiert. Im Gegenzug wurden Waren aus der Schweiz und dem Bodenseeraum nach Tirol importiert. Dieser Durchgangsverkehr war nicht nur wegen des Zollregals (= Hoheitsrecht der Einhebung von Zöllen) für die Einnahmen des jeweiligen Landesfürsten wichtig, sondern auch wegen der Auslastung der heimischen Fuhrleute, Handwerker und Gastwirte. Die Landesherren kümmerten sich um den Ausbau und die Erhaltung des Straßennetzes. Ferner sorgten sie für die Bereitstellung von Gespannen, Wagen und Fuhrleuten, die jederzeit verfügbar sein mussten und ihre Dienste zu festen Preisen anzubieten hatten. Nicht zuletzt lag es in ihrem Interesse, dass Gaststätten für die Frachtleute, Ställe für die Pferde und Gebäude für das Unterstellen von Waren geschaffen wurden.
Das ehemalige Gasthaus Baldauf und heutige Gemeindehaus in Pettnau entspricht dem Bautyp eines
Mittelflurhauses und geht in Bezug auf seine Bausubstanz auf das 13./14. Jahrhundert zurück. Nachforschungen in der Pettnauer Dorfchronik haben ergeben, dass das Gebäude im Lauf der Geschichte mehr als 20 Mal den Besitzer gewechselt haben dürfte. An der Nordseite des Gebäudes befindet sich der alte Weinkeller der ehemaligen Fuhrmannsgastwirtschaft.
In früheren Zeiten hatte diese Art von Gasthof hohen Wert. Fuhrmannsgasthöfe entstanden nämlich vorwiegend an den großen Durchzugsstraßen oder vor langen Steigungen im Wegeverlauf, um den Frächtern nicht nur eine gute Unterkunft und Pferde zum Wechseln zu bieten, sondern fallweise auch solche zum Vorspannen. Die Tiroler Fuhrmannsgasthöfe des 13. bis 19. Jahrhunderts genossen den Ruf, qualitativ hochwertige und reinliche Häuser zu sein. Die auf Fuhrwerke und ihre Begleiter spezialisierten Gasthöfe entstanden in bestimmten Abständen, damit vor allem mittags und abends eine gute Versorgung von Mensch und Tier gewährleistet war. Mittags kehrte man vor allem wegen der Pferde ein. Die Rösser wurden ausgespannt, aber im Geschirr belassen und anschließend gefüttert. Während sich die Tiere ausruhen durften, wurden auch die Fuhrleute verpflegt. Den Transporteuren war es aber vor allem gegen Abend wichtig, ein gutes Gasthaus zu erreichen. Auch hier wurden zuerst die Pferde abgewartet und versorgt. Zum Abwarten der verschwitzten Pferde gehörten u.a. das Trockenführen (Gehen im Schritt zur Beruhigung des Kreislaufes) und ihre Reinigung. Da das einige Zeit in Anspruch nahm, wurden die Fuhrleute zuerst mit einer Art Jause und später mit einer Hauptmahlzeit verköstigt.
Auch die Unterbringung der Gäste war geregelt. Die vorhandenen Betten standen den vornehmeren Gästen zu, die älteren Frächter hatten gegenüber den jüngeren den Vortritt. Wer kein Bett mehr bekommen konnte, legte sich in der Gaststube auf eine Bank. Abweisen durften die Wirte niemanden, nur wer kein Geld hatte, wurde zum Schlafen in die Scheune verwiesen.
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