In einem Bauernhof in der Nähe von Innsbruck sind zwei Schränke erhalten, die als Ensemble betrachtet werden können. Der erste der beiden Kästen wurde 1944 anlässlich einer Hochzeit angefertigt, der zweite entstand 1950 aus Anlass der Geburt eines Kindes. Die beiden Möbelstücke weisen verschiedenste Verzierungen auf, darunter auch eine Inschrift. Aus ihr geht hervor, dass sich einer der beiden Kästen ursprünglich im Besitz einer Elise Triendl befand. Dieser Schrank dürfte wohl Teil ihrer Mitgift gewesen und im Zuge ihrer Vermählung an seinen späteren Standort gelangt sein. Die Bemalung der beiden Möbelstücke stammt nachweislich vom Innsbrucker Maler Oswin Höfer (1887 bis 1987).
Das Wohnen als kulturelles Phänomen ist eine "Erfindung" der jüngeren Vergangenheit, was der Umstand beweist, dass aus weiter zurückliegenden Epochen kaum Einrichtungsstücke überdauert haben. Zu den ältesten Möbeln gehören Truhen, in denen man vor allem Kleidungsstücke und Nahrungsmittel aufbewahrte. Im Unterschied dazu geht die Entwicklung des Kastens auf die Notwendigkeit zurück, dass in den Sakristeien der Kirchen für die zum Teil sehr wertvollen Messgewänder geeignete Lagerräume geschaffen werden mussten. Erst später hielt der Kleiderschrank auch im bäuerlichen und bürgerlichen Haushalt Einzug.
Der Hochzeitsschrank ist ein glatter Kasten mit Füßen in gerader Fortsetzung der Seitenkanten. Er verfügt über eine breite Schublade in der Sockelzone. Die zwei Türen werden durch vier kunstvoll verzierte
Füllungen unterteilt. Die unteren Füllungen sind quadratisch ausgebildet und wurden mit bunten
Wirbelrosetten dekoriert. In den hochrechteckigen Bildfeldern darüber befinden sich der Thematik Hochzeit entsprechende Ornamente:
Lebensbäume, auf denen unter anderem ein Jäger mit Wild, ein tanzendes Paar, ein Bauer mit Sense und eine Bäuerin mit Korb zu erkennen sind. Die Komposition wird von C-förmigen Schnörkeln "umspielt".
Stets waren es die Frauen, die Kleiderschränke in einen neu gegründeten Hausstand einbrachten. Zur Mitgift gehörte aber auch der Inhalt des Kastens. Dieser bestand nicht nur aus der Kleidung und der Sonntagstracht der Bäuerin, sondern auch aus Bettwäsche, Tischtüchern etc.
In diesem Zusammenhang ist ein Kleiderschrank, der anlässlich der Geburt eines Kindes angefertigt wurde, als eine Besonderheit zu sehen. Im Unterschied zum Hochzeitsschrank wurde dieses etwas einfacher gestaltete Möbel ohne Schublade konzipiert und etwas dezenter bemalt. Neben Rosetten und Lebensbäumen sind auf diesem Schrank zur Lebenswelt des neuen Erdenbürgers passende Motive wie Wickelkinder abgebildet worden.
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