In Tirol findet man historische Gaststätten nicht entlang der Autobahnen, sondern viel eher an den Straßen, die in früheren Zeiten im Reise-, Post- und Fuhrwesen eine Rolle spielten. Zu den eindrucksvollsten historischen Wirtshäusern des Landes zählt der Mellaunerhof in Pettnau, der Ende der 1990er-Jahre umfassend restauriert wurde.
Das Gebäude stammt in seinem Kern aus dem Spätmittelalter (15. Jahrhundert?) und ist seit etwa 1600 ohne nennenswerte Unterbrechung als Gasthaus in Betrieb. Wie viele Wirtshäuser dürfte es seine Bedeutung durch die verkehrsgünstige Lage erlangt haben. Es wurde nämlich an einer der Hauptrouten durch das Inntal an einer Stelle platziert, wo sich eine Fährstation über den Inn befand. Dafür liefert auch der Name Pettnau einen Hinweis, weil "Pette" ein altes Wort für Fähre ist.
Schon in der Römerzeit gab es mit den späteren Wirtshäusern vergleichbare Tavernen, die meistens bei Zoll- oder Pferdewechselstationen eingerichtet wurden. Parallel dazu entwickelten sich mit der Christianisierung und unter dem Einfluss des Gebots der Nächstenliebe auch Hospize. Meistens wurden diese Herbergen in besonders entlegenen Gegenden oder auf Gebirgspässen (z.B. Hospiz in St. Christoph am Arlberg) errichtet und dienten der Aufnahme von Reisenden und Pilgern.
Im Spätmittelalter dürfte es in Tirol rund 30 Hospize gegeben haben. Sie waren als karitative Einrichtungen gegründet worden, wohingegen die aus den römischen Tavernen hervorgegangenen Gasthäuser Bewirtung, Nächtigung und andere Dienstleistungen gegen Geld anboten. Das uns heute bekannte Wirtshaus ist also nicht aus einer einzigen historischen Wurzel hervorgegangen.
Gegen Ende des 15. Jahrhunderts nahm der Wirtschaftszweig des "Bewirtens" einen Aufschwung, weil Kaiser Maximilian I. (1459-1519) Franz von Taxis (1459-1517) damit beauftragt hatte, eine ständige Postverbindung zwischen Tirol und den Niederlanden einzurichten. Dafür mussten in bestimmten Abständen Poststationen angelegt werden, zu denen meistens auch Postgaststätten gehörten.
Viele der in den Postgasthäusern tätigen Wirtsfamilien vererbten ihren Besitz über Generationen hinweg. Oft waren diesen Häusern auch landwirtschaftliche Güter, Handelsunternehmen (Viehhändler, Fuhrwerker) oder Handwerksbetriebe (Metzgereien) angegliedert. Das alles trug dazu bei, dass viele Gaststättenbesitzer hohe soziale Stellungen einnahmen. In den Reiseberichten des 15. Jahrhunderts ist von Tiroler Gastgebern die Rede, die wohlhabende Leute mit gutem Lebensstil waren. Sie sollen sich mit ihren Gästen höflich und gewandt (teilweise auch in Fremdsprachen) unterhalten haben.
Bereits aus dem Jahr 1533 ist eine umfassende Tiroler Wirtsordnung überliefert, in der u.a. die gut sichtbare Anbringung von Speise- und Getränketarifen, die Reinlichkeit im Gastbetrieb und die Unverfälschtheit des Weines Themen sind. Auch die Einhaltung von Sperrstunden war schon am Beginn des 16. Jahrhunderts geregelt. Z.B. wurde in Innsbruck 1544 verordnet, dass die "Singer, Füller und Schreier" (d.h. so viel wie Vollsäufer, Betrunkene und Schreihälse) schon um neun Uhr abends die Gasthäuser zu verlassen hatten, während Adelige, bessere Bürger und fremde Gäste noch bleiben konnten.
Da das Reisen bis ins 19. Jahrhundert nicht als Vergnügen, sondern als beschwerlich galt, wurde der Qualität und Gastfreundlichkeit eines Wirtshauses ein hoher Wert beigemessen. In diesem Zusammenhang ist auffallend, dass die Tiroler Gastlichkeit schon in der Geschichte einen guten Ruf genoss. Möglicherweise führte das dazu, dass die Erhaltung der Gaststätten und die Pflege der heimischen Wirtshaustradition in Tirol nach wie vor große Bedeutung genießt.
Aus urkundlichen Quellen geht hervor, dass der Mellaunerhof in Pettnau schon um die Mitte des 15. Jahrhunderts entstanden sein könnte, die älteste Bausubstanz stammt tatsächlich noch aus dem Spätmittelalter. Der Bau verfügt über ein spätgotisches, mit
Breccie eingefasstes Eingangsportal, die Fassade darüber wurde aber barockisiert und im 20. Jahrhundert mit Malereien versehen. Auch ein Blick in das Innere des Gasthauses ist lohnend. Zuerst betritt man einen breiten spätgotischen
Mittelflur, der eine mit Gratnetzen verzierte
Stichkappentonne aufweist. An den Seiten des Ganges befinden sich die Zugänge zu den Stuben und zu einem ebenfalls aus der Gotik stammenden Lagerraum, der heute als Weinkeller dient. Der südwestlich gelegene Gastraum wird mit einer Balkendecke aus dem 16. Jahrhundert nach oben abgeschlossen. Zu den sehenswerten Räumen des historischen Gasthauses zählt der so genannte Rittersaal im Halbstock. Der Raum besitzt einen
Mittelpfeiler und ein gotisches Kreuzgratgewölbe. Früher dürfte er als Speiseraum für jene Gäste gedient haben, die hier übernachteten. Denn in der Vergangenheit war es üblich, dass Reisende ihre Mahlzeiten getrennt von den übrigen Gästen einnahmen.
Zur Bekanntheit des Mellaunerhofes trägt wohl auch seine reich dekorierte Straßenfassade bei. Unterhalb des barock geschweiften
Giebels bzw. bei den seitlichen Ovalfenstern wurden
Putti aus weißem
Stuck angebracht. Die Malerei in den unteren Bereichen der Fassade wurde in den 1950er-Jahren von Johannes Obleitner (1893-1984) geschaffen.
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