Gedruckte Sterbebildchen oder Totenzettel als Andenken an einen Verstorbenen tauchen in Tirol im bäuerlichen Bereich erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts - vor allem mit der Verbreitung der Chromolithografie (Öldruck) - auf.
Im weiteren Sinn versteht man unter Sterbebildchen Todesnachrichten, die verteilt oder versandt werden. Ihrem Zweck nach sind sie jenen ähnlich, die man auch heute noch benützt, um das Ableben eines Menschen den Verwandten, Freunden, Bekannten oder der Öffentlichkeit mitzuteilen, aber auch, um das Gedenken im Gebet zu erbitten.
Zwei in ihrer Gestaltung sehr ähnliche Totenzettel aus einer Hofkapelle im Tiroler Unterinntal aus der Zeit um 1900 verdeutlichen die wesentlichen Merkmale dieser besonderen Form des Totengedenkens. Wichtig ist in jedem Fall der direkte Bezug zum individuellen Trauerfall, der durch Nennung des Namens mit Geburts- und Sterbedaten dokumentiert ist. Als bevorzugtes überirdisches Motiv werden Schutzengeldarstellungen verwendet, die ein sicheres Geleit des Verstorbenen in den Himmel garantieren sollen. Dazu kommt noch ein Trauergedicht, das inhaltlich auf das Sterben einer Mutter bzw. eines Kindes Bezug nimmt.
Das eine Bild zeigt eine weinende Mutter am Totenbett ihres aufgebahrten Kindes. Das Bett ist mit Blumenranken verziert, auf dem Nachtkästchen daneben steht eine Vase mit einer weißen Lilie. Die Lilie ist seit der Antike ein Symbol der Reinheit und Schönheit, aber auch Symbol des Todes. Als so genannte "Madonnenlilie" ist sie ein Zeichen für Maria als Fürsprecherin im Himmel. In der Bildebene darüber wird die als kindliche Figur dargestellte Seele des Kindes von dessen
Schutzengel in den Himmel empor getragen. Der Engel hat eine Wolkenbank erreicht, wo bereits eine Heerschar von kleinen Engelchen auf die Ankunft des Kindes wartet. Rechts unten wurde ein mit zarten Rosenranken und Ornamenten dekorierter Rahmen abgebildet, der zwei Felder aufweist: Im unteren Bildfeld ist ein mit "Auf Wiedersehen!" betiteltes Trauergedicht abgedruckt, im oberen Bildfeld konnten nach einem Vordruck mit den Worten "Zur Erinnerung an unser geliebtes Kind..." handschriftlich Name, Geburtsdatum und Tag der Beisetzung eingetragen werden.
Das zweite Sterbebild ist zur Erinnerung an eine verstorbene Mutter entstanden, weist aber eine ähnliche Bildkomposition auf. Am Totenbett der Mutter beten zwei Kinder. An der Seite des Bettes ist ein Tischchen platziert, auf dem brennende Kerzen und ein Kruzifix stehen. Im oberen Bereich des Bildes wurde abermals die Szene wiedergegeben, in der die personifizierte Seele der Verstorbenen von (Schutz-)Engeln in den Himmel getragen wird. Ein Engel hält einen Blumenkranz in Richtung der Ankommenden, was als lorbeerkranzähnliches Element und somit als Symbol für den Sieg über den Tod interpretiert werden kann. Seitlich darunter befindet sich wiederum der geschmückte Rahmen mit dem Gedicht und den handschriftlich einzutragenden Daten der Verstorbenen.
Beide Bilder wurden mit schlichten schwarzen Holzrahmen ausgestattet. Sie sind in dieser Zusammensetzung aber keine Einzelstücke: Bei den Ölgemälden ähnlich sehenden Arbeiten handelt es sich um
Chromolithografien oder so genannte Öldrucke, die in höheren Auflagen verlegt wurden und im Buch- und Papierhandel bzw. über Bestattungsunternehmen erhältlich waren.
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