P. Fabian Barcata hatte schon ein wechselvolles Leben hinter sich gebracht, bevor er nach Tirol kam. Er wurde 1868 in Valfloriana bei Trient geboren, trat 1885 im Kloster Pupping (bei Eferding, OÖ) in den
Franziskanerorden ein und wurde 1891 in Brixen zum Priester geweiht. Zu den wichtigen Stationen im Leben des Paters zählen seine Aufenthalte als Missionar in Kriesesi, Albanien, wohin er für die Jahre 1895-1897 und 1899-1907 entsendet wurde. Die unvorstellbar dürftigen Lebensumstände der Menschen in diesem gebirgigen Land am Balkan schilderte P. Fabian selbst. Darüber hinaus war es ihm gelungen, eine Kamera und Fotomaterial nach Albanien mitzunehmen und damit die dortigen Einwohner, Dörfer, Behausungen und nicht zuletzt die mit primitiven Mitteln errichteten Kirchen bildlich zu dokumentieren. 1907 kehrte P. Fabian in die Tiroler Franziskanerprovinz zurück. Im Ersten Weltkrieg war er
Feldkurat beim 1. Tiroler Kaiserjägerregiment und wurde noch während des Krieges damit beauftragt, in Bondo in Judikarien ein Denkmal für die Gefallenen zu errichten (1915-1918). Der Ort liegt in unmittelbarer Nähe zum Adamello- und Presanellagletscher, zwei Schauplätzen des unerbittlichen Hochgebirgskrieges. Die Anlage entstand auf einem mehr als 7.000 Quadratmeter großen Grundstück, in deren Zentrum ein repräsentatives Ehrenmal für die Gefallenen platziert wurde. Der Waldfriedhof besteht noch und kann besichtigt werden.
Die Jahre von 1922 bis 1954 verbrachte P. Fabian in Tirol und entfaltete hier ein reiches künstlerisches Schaffen. Nachdem er sich für die Entwürfe für die Josefskapelle im US-Bundesstaat New York stilistisch am
Art déco ausgerichtet hatte, orientierte er sich auch bei der Gestaltung des Weinstock-Kelchs an dieser internationalen Strömung. In Verbindung mit der Entstehungsgeschichte des Kelchs darf nicht unerwähnt bleiben, dass ihn die Schwazer Gold- und Silberschmiedewerkstatt Schneider-Rappel drei Mal produzieren musste: Der erste Kelch entstand im Jahr 1932 (wahrscheinlich auch für die USA), der zweite wurde am 3.7.1951 fertig gestellt, ging aber im Dezember des selben Jahres auf dem Weg zu einer Ausstellung in New York mit dem Schiff "Flying Enterprise" unter, der dritte Kelch wurde 1953 gefertigt und befindet sich in einem heimischen Franziskanerkloster.
Auf dem ca. 26 cm hohen Kelch verband P. Fabian die Motive Weltkugel und Weinstock. Für die Herstellung wurden 548 Gramm Silber und zahlreiche Granatsteine verarbeitet, Weltkugel und Weinstock sind aus transparentem und opakem (undurchsichtigem)
Email gearbeitet. Der Fuß des Kelches trägt die Inschrift: "In nomine jesu omne genu flectatur caelestium, terrestrium et infernorum. De profundis clamavi ad te domine, domine exaudi vocem meam". (Philipperbrief 2,10: Vor dem Namen Jesu sollen alle Mächte im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihre Knie beugen. Psalm 130: Aus der Tiefe rufe ich zu dir, o Herr. Herr, höre meine Stimme!)
Zum Kelch existiert ein Koffer, der weniger zur Aufbewahrung im Kloster dient als zu seinem Schutz auf den zahlreichen Ausstellungsreisen, die dieses
liturgische Gerät bis heute "unternahm".
Es ist sehr wahrscheinlich, dass P. Fabian in Verbindung mit dem Kelch auch noch eine
Monstranz und ein
Ziborium herstellen wollte. Die Entwürfe dazu sind noch vorhanden, aber ihre Umsetzung konnte bis heute nicht nachgewiesen werden.
Aufgrund der Wiederaufnahme des Leitmotivs der Weltkugel am Fuß der Monstranz ist sie auf jeden Fall als mit dem Weinstock-Kelch zusammengehörig zu sehen. Hier geht allerdings die Weltkugel über die Knospe eines Weinstocks sinnbildlich in den "Himmel" über. Die
Lunula wird von einem Engelskranz umgeben, an dessen Oberseite ein gekreuzigter Christus und an der Unterseite eine Muttergottes angebracht wurde, die auf einer von Wolken getragenen Mondsichel steht. Im Unterschied dazu ist das Ziborium aus einem Bündel Kornähren zusammengesetzt, die ein kugelförmiges Gefäß umfangen. Wie beim Weinstock-Kelch und der nicht ausgeführten Monstranz soll auch bei diesem Entwurf ein florales (= aus Blumen bestehendes) Element symbolisch Himmel und Erde miteinander verbinden.
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