Schluckbildchen sind kleine, fein gerasterte Blätter, die in den kleinen aufgeteilten Flächen gleichförmige Darstellungen eines Gnadenbildes zeigen. Manchmal ist unter dem Bildmotiv eine Beschriftung angebracht, die den Wallfahrtsort oder die dargestellte Heiligenfigur benennt. Nur mit Text versehene Blättchen für den gleichen Anwendungszweck nennt man "Esszettel". Sie waren vor allem an den bekannten Wallfahrtsorten erhältlich und wurden vom 18. bis zum 20. Jahrhundert als religiöse Volksmedizin verwendet. Bei Bedarf konnte man eines der Bilder herausschneiden, zerknüllen und schlucken. Den einzelnen Zettelchen wurden übernatürliche Heilkräfte zuerkannt, die man durch das Verspeisen in sich aufnahm.
Von entscheidender Bedeutung für den Glauben an die heilende Wirkung war, dass das Bildchen geweiht und mit dem originalen Gnadenbild an einem Wallfahrtsort in Kontakt gekommen war. Durch diese magische Handlung der Berührung nahm das Schluckbildchen die Heilkraft vollständig auf. Um seine Wirkung zu behalten, sollte das Bildchen nicht den Besitzer wechseln und nach Möglichkeit immer wieder mit dem Original in Berührung kommen.
Wie aus der Bezeichnung Schluckbildchen oder Esszettel hervorgeht, war die Hauptfunktion die einer geistlichen Medizin. Die Zettelchen wurden in Wasser aufgeweicht, aufgelöst oder Speisen beigegeben und dann dem kranken Menschen oder dem Vieh als medizinisches Mittel verabreicht. Mit dem Einverleiben sollte die mit dem Gnadenbild in Verbindung stehende Heilsperson und die ihr zuerkannte Heilkraft dauerhaft und unmittelbar in den Körper aufgenommen werden. Damit steht eine sehr urtümliche und magische Vorstellung von medizinischer Wirkung in Verbindung.
Magie als Erfahrung mit Macht und das Handeln mit dieser Macht spielt in vielen Volks- und Naturreligionen eine große Rolle. Damit in Verbindung steht der Glaube, dass Magie zwar das Dasein des Menschen regiert, durch richtigen Umgang damit aber auch hilfreich sein kann. Magie ist meist an einen Gegenstand fixiert und wird erst über diesen durch bestimmte Handlungen - wie Berührungszauber - wirksam.
Die Grundlage für den Glauben an die wunderbare medizinische Wirkung von Schluckbildchen bildete der vor allem in der Barockzeit verbreitete Wallfahrtskult. Die gegenseitige Konkurrenz unter den bekannten Wallfahrtsorten war groß, über die unterschiedliche Heilkraft der verschiedenen Gnadenbilder kursierten viele Gerüchte. Berichte über Wunderheilungen, der rituelle Aufwand, der mit dem Besuch eines Wallfahrtsortes verbunden war, sowie die mit dem Bild verbundene Erinnerung an das gesamte Wallfahrtserlebnis bekräftigten den Glauben an eine tatsächliche Wirkung.
Die Unleserlichkeit, in erster Linie jedoch das Nichtverstehen des meist in Latein verfassten Textes verstärkte die psychologische Wirkkraft ebenso wie der grafische Stil des Bildchens. Symmetrische Rahmenelemente sollten wie ein magisches Kraftfeld die Bildwirkung auf das Gnadenbild als zentrales Motiv konzentrieren. Strahlenkränze und das Schweben der Heiligenfigur auf Wolken betonten zusätzlich den übernatürlichen Charakter des Bildes.
Gelegentlich wurden Schluckbildchen auch mit ausführlichem Erläuterungstext gedruckt. Neben einem Zettelchen mit Darstellung der Heiligen Drei Könige ist - gleichsam als Echtheitszertifikat - die Berührung mit den originalen
Reliquien der Heiligen im Kölner Dom ausgewiesen. Dahinter sind die verschiedenen Leiden und Krankheiten aufgelistet, für die das Schluckbildchen bei richtiger Anwendung Hilfe verspricht: "Heilige drey Konige/ Caspar, Melchior, Baltasar/ Bitte fir uns jetzt und in der Stund Unseres/ Todts/ Dis an die Haupder und Reliquie der HH drey Königen/ in Cöllen angestrichnes briefflen ist guet fir alle/ Reis gefahren Haupt weh fallente Kranckheit/ fieber Zauberey u. jöhen dodt durch einen veste glaube."
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